KonflikttrauungDer Film heißt „Rachels Hochzeit“ — aber eigentlich dreht sich alles in der Familie um die jüngere Schwester Kym (Anne Hathaway). Die ist ein Junkie und hat ein paar Tage aus der Entzugsklinik frei bekommen, um an der Trauung der älteren Schwester teilzunehmen. Das Haus der Eltern ist voll: Verwandte, Freunde und Musiker sind schon einige Tage vorher angereist. Die Atmosphäre ist fröhlich und scheinbar entspannt. Kym wird mit erstaunten Blicken, aber herzlich begrüßt. Sie ist das unangefochtene „Enfant Terrible“. Sie läuft Sturm gegen die familiäre Überbesorgtheit und buhlt gleichzeitig mit effektvollen Auftritten um Aufmerksamkeit. Rachel (Rosemarie DeWitt) hat oft mehr als genug vom Borderline-Verhalten ihrer Schwester und fordert wenigstens an ihrer Hochzeit die Aufmerksamkeit, die ihr Kym ein Leben lang entzogen hat.
Mit „Rachels Hochzeit“ wirft sich Regisseur Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“) mitten hinein in den familiären Mikrokosmos und schält langsam, aber präzise die Konfliktstrukturen heraus. Mit der Handkamera folgt der Film den Figuren im überfüllten Haus, entdeckt immer neue Facetten der ineinander verschränkten Gefühle, beobachtet scheinbar nur die Hochzeitsvorbereitungen im multikulturellen Trubel und gräbt sich dann wieder hinein in intime, traumatische Erinnerungen. Der Erzählstil und die emotionale Intensität erinnern an Thomas Vinterbergs Dogma-Meisterwerk „Das Fest“. Allerdings fällt die Analyse der Familienstrukturen hier weniger bitter aus und verzichtet vollkommen auf einfache Schuldzuweisungen. Mit aufrichtiger Zuneigung blickt der Film auf seine Figuren, aber das heißt nicht, dass er sie sentimentalisiert, sondern sie vielmehr mit all ihren Schwächen und Unerträglichkeiten zeigt. Das gilt vor allem für Kym, für die Anne Hathaway („Bride Wars“) ihr „Plötzlich Prinzessin“-Image entschlossen über Bord wirft. Demme ist ein tief berührendes Familienporträt gelungen, das nichts gemein hat mit harmoniesüchtigen Verklärungsmechanismen, mit denen Hollywood das Thema üblicherweise behandelt.
Bewertung der redaktion
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