Hannah Maynard (Kerry Fox) bekommt als Anklägerin am UN-Kriegsverbrechertribunal von Den Haag eine interessante Zeugin an die Hand. Die junge Bosnierin Mira (Anamaria Marinca) könnte gegen einen mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher aussagen. Doch die Wege der Justiz sind unergründlich.
Hans-Christian Schmid („Lichter“, „Requiem“) hat mit seinen Filmen bislang selten den leichten und bequemen Weg eingeschlagen. „Sturm“ bildet dabei keine Ausnahme. Es hätte ein gefälliger Gerichtsfilm europäischer Provenienz werden können, der ein nach wie vor aktuelles Thema zu einem spannenden Schlagabtausch in den Gerichtssälen des UN-Tribunals genutzt hätte. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Verhandlungen in Den Haag stoßen nur noch auf Interesse, wenn gerade mal wieder ein Spitzenfang ins Netz gegangen ist, wie im vergangenen Jahr Radovan Karadˇzi´c. Ansonsten geht es dort eher routiniert bis gestresst zu, weil alles einem engen Zeitplan folgen muss und die Gelder fehlen, um sich mit jedem Schicksal in all der Ausführlichkeit zu beschäftigen, die es eigentlich verdient hätte.
Und genau darum geht es Schmid in seinem engagierten, von realen Ereignissen beeinflussten Film. Ein wichtiger Zeuge hat sich vor Gericht als unbrauchbar erwiesen, anschließend sogar selbst das Leben genommen. In seiner Schwester findet die Anklägerin kurz darauf die wahre Zeugin für die erhobenen Beschuldigungen. Eine formelle Genehmigung ihrer Aussage in einem bereits laufenden Prozess gestaltet sich allerdings als äußerst schwierig. Um den vermeintlichen Kriegsverbrecher nicht ungeschoren davonkommen zu lassen, entschließt sich Hannah für eine Absprache mit dem Verteidiger. Schmids Film prangert das heutige Rechtssystem sehr offensiv an, bei dem es längst nicht mehr um Gerechtigkeit und Rechtsprechung geht, sondern in dem man primär Karrierebestrebungen im Auge hat und angestrengt versucht, das Beste innerhalb der engen Grenzen zu erreichen, die einem die Umstände aufzwingen. /// Frank Brenner
Bewertung der redaktion
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