Riggan Thomson (ideal besetzt: Ex-„Batman“ Michael-Keaton) ist ein langsam vor sich hin sterbender Stern am Hollywood-Firmament. Vor zwanzig Jahren zog er als „Birdman“ im Superhelden-Kostüm Abermillionen von Zuschauern in die Kinos. Nach einer Handvoll Sequels ist er das Vogelmann-Image jedoch nicht mehr losgeworden.
Schlimmer noch: Der „Birdman“ ist für den verzweifelten Schauspieler längst zum Über-Ich geworden, das ihm immer wieder als leibhaftige Vision erscheint und mit markigen Sprüchen zurück ins Blockbuster-Geschäft ziehen will. Aber Riggan will sich mit Anfang 60 als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller eines ehrgeizigen Theaterprojekts am Broadway neu erfinden.
Verpfuschtes Privatleben
Allerdings torpediert nicht nur der Superheld im Hinterkopf sein Herzensprojekt. Auch das verpfuschte Privatleben schlägt im Alter kräftig zurück. Tochter Sam (Emma Stone) kommt gerade aus der Entzugsklinik und begleitet das Post-Midlife-Crisis-Treiben des Vaters mit sarkastischen Kommentaren.
Die derzeitige, deutlich jüngere Lebensgefährtin – und weibliche Hauptdarstellerin in seinem Stück – Laura (Andrea Riseborough) setzt ihn mit einer vorgetäuschten Schwangerschaft unter Druck. Auf und hinter der Bühne muss sich Riggan zudem mit der bekennenden Rampensau Mike Shiner (Edward Norton) messen, der hoch talentiert und äußerst unberechenbar die Probenarbeit dominiert.
Begnadeter Backstage-Film
Mit „Birdman“ entwirft Alejandro González Iñárritu einen begnadeten Backstage-Film, in dem großes Psychodrama, bissige Branchensatire, präzise Charakterstudien, Fantasy-Elemente und jede Menge schauspielerisches Vergnügen eng miteinander verzahnt werden.
Der mexikanische Regisseur nutzt dazu den beengten Raum der Katakomben, Garderoben und auf der Bühne des New Yorker St. James Theatre, wo es für die Figuren kein Entkommen voreinander gibt. Aber aus dem reduzierten Setting entsteht kein spartanisches Kammerspiel.
Zweistündiger Bildfluss
Im Gegenteil: Die Kamera von Emmanuel Lubezki („Gravity“) schwebt in langen Einstellungen, die nahtlos miteinander verbunden sind, durch die Theaterflure, auf einen kurzen Ausflug über den Times Square und wieder hinein ins Foyer.
Es ist ein ununterbrochener, zweistündiger Bildfluss, der scheinbar ohne Schnitt in einem Zug aufgenommen wurde. Dies verleiht dem neun Mal für den Oscar nominierten Film eine enorme visuelle Dynamik und einen wirkungsvollen Kontrast zu den Figuren, die in ihrem verworrenen Dasein so ungeheuer unterhaltsam auf der Stelle treten.\ Martin Schwickert
Bewertung der redaktion
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