Gefühle – bei all den technischen Errungenschaften, die der Menschheit im Laufe der Jahrtausende geglückt sind, sind sie uns immer noch unerklärlich. Liebeskummer kann uns physische Schmerzen bereiten, ein Strom von Endorphinen dagegen in höchste Höhen heben. Im Kindesalter sind die Emotionen noch ungefiltert. Wir sind noch nicht in der Lage, sie zu steuern. Stattdessen steuern sie uns – direkt, von einer Schaltzentrale in unserem Hirn aus. Hier hinein blickt das neue Werk von Pete Docter („Die Monster AG“).
Genau 33 Sekunden hat Freude die volle Kontrolle über Riley. Dann beginnt das Baby zu weinen und Kummer taucht auf. Kurz darauf folgen Angst, Ekel und Wut und Freude hat alle Hände voll zu tun, das Durcheinander aufzulösen. Das bedeutet auch, die wichtigen Erinnerungen ins Langzeitgedächtnis zu leiten. Dort landen sie dann auf einer der Erinnerungsinseln: der Familien- oder der Quatschmachinsel oder später auch der für Rileys große Leidenschaft Eishockey. Das Mädchen ist mittlerweile elf und eine besonders komplizierte Zeit bricht an: die Pubertät. Erschwerend kommt hinzu, dass Riley aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen wird.
Gefühlschaos
Die Familie zieht nach San Francisco und Rileys Optimismus bekommt einige herbe Schläge ab. Der Vater ist vollkommen in seine neue Arbeit vertieft, der Umzugswagen verspätet sich und in der Pizzeria um die Ecke gibt es nur Broccoli-Pizza. Kein Wunder, dass Ekel, Wut und Angst die Kontrolle übernehmen. Als Freude und Kummer von den anderen getrennt werden, müssen sie sich auf den beschwerlichen Weg zurück ins Hauptquartier machen, um Ordnung ins Gefühlschaos zu bringen.
Das Spiel mit den Assoziationen bereitet den kreativen Köpfen bei Pixar sichtlich Freude. „Alles steht Kopf“ sprüht geradezu über vor Ideen, ist clever konstruiert und immer wieder überraschend. Einige der Gags mögen in der deutschen Fassung zwar nicht ganz zünden (z.?B. der wortwörtliche Gedankenzug „Train of Thought“). Wie wirklich alles an diesem Film ist aber auch die Synchronisation mit Liebe gemacht.
Pixar hat sich endlich einmal wieder selbst übertroffen. Erfrischend, ein animiertes Werk ohne offensichtliche marketingtechnische Hintergedanken zu erleben – ganz anders als bei den gelb-grinsenden „Minions“-Gnomen, die in den letzten Monaten die Kinocharts beherrschten. \ Lars Tunçay
„Alles steht Kopf“
USA 2015 // R: Pete Docter
Start: 1.10.
Bewertung der redaktion
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