Wer glaubt, Meryl Streep hätte in „Der Teufel trägt Prada“ alles gegeben, was an Biest in ihr steckt, sollte sich „Im August in Osage County“ ansehen. Dabei könnte man mit ihrer Violet zunächst durchaus Mitleid empfinden: Jahrelange Tablettensucht und eine Chemotherapie haben an Körper und Seele deutliche Spuren hinterlassen und dann nimmt sich auch noch ihr Ehemann das Leben. Aber Violet ist eine Frau, die man nicht lange bedauern kann. Vom Zorn zerfressen attackiert sie jeden, der ihr zu nahe kommt, und beim Beerdigungsmahl kriegen alle ihr Fett weg. Das gilt besonders für die drei Töchter, von denen jede auf ihre Weise durch die kaputten Familienverhältnisse gezeichnet ist. Die älteste Tochter Barbara (Julia Roberts) kennt Violets manipulative Fähigkeiten nur zu gut, bietet ihr erbarmungslos Paroli und wird dabei der Mutter ähnlicher, als ihr lieb ist. Ihre jüngste Schwester Karen (Juliette Lewis) musste bis nach Florida flüchten, um dem familiären Einfluss zu entkommen, während die mittlere Tochter Ivy (Julianne Nicholson) es nie aus Osage County weggeschafft hat.
Basierend auf Tracy Letts Theaterstück entwirft Regisseur John Wells ein Drama, das es in sich hat. Schonungslos werden hier die dysfunktionalen Beziehungsstrukturen aufgebrochen und seit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ hat man nicht mehr derart spektakuläre Zerwürfnisse auf der Leinwand gesehen. Dabei lässt Wells die Angelegenheit nie zur One-Woman-Show für Meryl Streep werden, sondern gewährt allen Figuren ihren eigenen Entfaltungsspielraum. Julia Roberts verabschiedet sich hier eindrücklich von ihrem Sweetheart-Image. Aber auch in Nebenrollen verleihen Chris Cooper, Margo Martindale oder Dermot Mulroney ihren Figuren eine enorme Intensität. „Im August in Osage County“ erinnert daran, dass das eigentliche Kapital des amerikanischen Kinos nicht der Starrummel, sondern die Qualität der Schauspieler ist. Und wer sich, wie Wells, dieser Ressourcen zu bedienen versteht, kann aus einer recht trübsinnigen Familienzerfallsstudie ein cineastisches Festessen zaubern. \ Martin Schwickert
„Im August in Osage County“
USA 2013 // R: John Wells
Start: 6.3.
Bewertung der redaktion
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