Kaum ein Regisseur kann ein derart vielschichtiges Œuvre vorweisen wie der Brite Mike Leigh – vom Abtreibungsdrama („Vera Drake“) über das Musical („Topsy-Turvy“) bis zum Feelgood-Movie („Happy-Go-Lucky“).
Nun hat sich der 71-Jährige, der sich meist seine Filme zusammen mit den Schauspielern über Monate hinweg erarbeitet, einen Herzenswunsch erfüllt.
In Segmenten
Seit einem Vierteljahrhundert beschäftigt sich Leigh mit den Kunstwerken des legendären englischen Malers William Turner – und führt uns nun in dessen Welt.
Nicht in einer chronologisch braven Erzählung, sondern in Ausschnitten, so wie der Maler selbst die Welt in seinen Bildern in Segmenten festgehalten hat.
Komplizierter Charakter
So wunderbar seine Gemälde, so kompliziert sein Charakter. Im Jahr 1826 ist William Turner (Timothy Spall) anerkanntes Mitglied der Royal Academy, dem auch sein eigenbrötlerisches Leben verziehen wird.
Zu seinem Vater pflegt Turner ein herzliches und inniges Verhältnis, doch das ist die Ausnahme.
Der Großstadt entfliehen
Gerne malt der Meister abgeschieden in der freien Natur. Um der Großstadt und den dortigen Verpflichtungen zu entfliehen, zieht sich Turner eines Tages in die Küstenstadt Margate zurück.
Unter falschem Namen mietet er ein Zimmer bei Sophia Booth (Marion Bailey) – sie wird seine große Liebe werden. Die ihm ergebene Haushälterin Hannah Danby (Dorothy Atkinson), die sich auch für Geschlechtsverkehr zur Verfügung stellt, erfährt davon nichts.
Zunehmend abstrakt
Im Alter werden die Bilder von Turner immer abstrakter, was zunehmend auf Ablehnung stößt. Doch was kümmert das diesen Egomanen, diesen Drogensüchtigen? Seine Sucht: die Malerei.
Mike Leigh und sein langjähriger Kameramann Dick Pope entwerfen eine faszinierende Szenerie, die sich der Ästhetik Turners annähert. Mehr noch: Einzelne Einstellungen sind quasi Kopien von Gemälden.
Porträt eines ungewöhnlichen Menschen
Doch damit nicht genug, entspinnt sich von Ausschnitt zu Ausschnitt das Porträt eines ungewöhnlichen Menschen. Hoch sensibel und doch mitunter ungehobelt. Schüchtern und doch manchmal barsch. Ein Einzelgänger, der doch anerkannt sein will.
Brillant gespielt wird Turner von Timothy Spall, seit mehr als 20 Jahren ein Wegbegleiter Leighs. Spall, bekannt als Peter Pettigrew in den Harry-Potter-Filmen, erhielt hierfür völlig zu Recht den Darstellerpreis in Cannes.
Noch mehr Freude an diesem meisterhaften Film haben jene, die sich nicht nur mit Turners Werk auskennen, sondern auch etwas von der damaligen Epoche verstehen. Denn Mike Leigh hat seinen Film gespickt mit tatsächlichen Zeitgenossen vom Meister des Lichts.\ Martin Schwarz
„Mr. Turner – Meister des Lichts“
GB 2014 // R: Mike Leigh
Start: 6.11
Bewertung der redaktion
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