Von Lars Tunçay
Qohen Leth (Christoph Waltz) passt einfach nicht in die Welt, in der er lebt. Der Misanthrop fristet sein einsiedlerisches Dasein in einer ausgebrannten Kirche.
Die Buntglasfenster reichen bis weit nach oben. Darunter stapeln sich dreckiges Geschirr und Pizzakartons.
Futuristische Reizüberflutung
Der seltsame Kauz isst nichts, das einen Geschmack hat, begibt sich nur sehr widerwillig auf die Straßen der Stadt und Berührungen sind absolut tabu. Wenn er doch mal die Tür zur Außenwelt öffnet, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen, bricht er fast vor der Reizüberflutung der futuristischen Umwelt zusammen: Laufschriften überall, die Farben grell, die Töne schrill.
Die Kommerzialisierung des Alltags hat perverse Ausmaße angenommen, das Ziel ist für die meisten der schnelle Kick.
Untergang und Spaß dabei
Insofern ist „The Zero Theorem“ keine Dystopie und weit weniger dunkel als sein geistiger Cousin „Brazil“, den Regisseur Terry Gilliam 1985 schuf.
Denn die Menschen steuern zwar auf ihren Untergang zu, haben aber mächtig Spaß dabei. Nur eben Qohen nicht. Leider ist er aber auch ziemlich genial in dem, was er tut. Als Computerdrohne löst er esoterische Gleichungen, Zahlen, die ein Eigenleben entwickelt haben.
Nur nach Hause
„Management“ (Matt Damon), der mysteriöse Boss, erkennt sein Potential und gibt ihm eine Aufgabe, an der schon viele kluge Geister gescheitert sind.
Qohen möchte aber eigentlich nur nach Hause und auf den Anruf warten, der wieder Sinn in sein Leben bringt.
Hilfloser Protagonist
Den sucht auch Terry Gilliam regelmäßig in seinen Filmen. Auch für „The Zero Theorem“ hat er wieder einen hilflosen Protagonisten erschaffen, der durch die Geschichte treibt, aneckt und kapituliert.
Die geistige Verwandtschaft zu den früheren großen Zukunftsvisionen des Regisseurs ist deutlich erkennbar: Das Tribunal der Wissenschaftler aus „12 Monkeys“ spiegelt sich in einem absurden Arztbesuch wider und der Supercomputer, in dem die esoterischen Daten gespeichert werden, steht in einer riesigen Halle, die an Sam Lowrys Endstation in „Brazil“ erinnert.
Fiebertraum in knalligem UV-Licht
„The Zero Theorem“ ist ein Fest für Gilliam-Connaisseure, ein futuristischer Fiebertraum in knalligem UV-Licht, ein kantiges Konstrukt, das die Hirnwindungen verdreht und in seiner Umsetzung alles andere als perfekt – aber eben auch ein echter Gilliam.\
Bewertung der redaktion
WEITEREMPFEHLEN