Von Frank Brenner
Durch seine Arbeit als Polizist stößt Andreas (berührend: Nikolaj Coster-Waldau, der Jaime Lannister aus „Game of Thrones“) auf den verwahrlosten Säugling eines abgehalfterten Junkie-Paares (verstörend: Nikolaj Lie Kaas und Newcomerin May Andersen). Als kurz danach sein eigenes Baby Alexander einen plötzlichen Kindstod stirbt, muss Andreas nicht lange überlegen.
Auch, um seiner verzweifelten Frau Anna (labil: Maria Bonnevie) den Lebensmut zurückzugeben, ersetzt er den toten Alexander durch das vernachlässigte Baby. Trotzdem will die Normalität nicht mehr so richtig einkehren in Andreas’ Heim, und auch die Junkie-Eltern schmieden Pläne, um nicht für den Tod des Babys zur Verantwortung gezogen zu werden.
Langsame Entfaltung
Bei Susanne Biers Filmen sollte man stets Taschentücher bereithalten! Dennoch sind die Arbeiten der Regisseurin, von „Open Hearts“ über „Brothers – Zwischen Brüdern“ bis hin zu ihrem Oscar-Gewinner „In einer besseren Welt“, keine rührseligen Werke, die in Sentimentalitäten ertrinken.
Die Gefühle der Protagonisten sind zumeist nachvollziehbar, was den Eindruck, den Biers Filme hinterlassen, nur noch verstärkt. Auch hier entfaltet die Dänin wieder nach und nach die gesamte Dramatik einer Geschichte, die für so manche Zuschauer noch Überraschungen bereithalten dürfte.
Verantwortungs und Mutterliebe
Die Unglaublichkeit der Tat des Polizisten wird bei den meisten auf Verständnis stoßen, immerhin hat man die katastrophalen Lebensbedingungen des Babys zuvor eindringlich vor Augen geführt bekommen. Dass die überstürzte Nacht- und Nebelaktion von Andreas moralisch trotzdem nicht zu rechtfertigen ist, wird im weiteren Handlungsverlauf nicht ausgeklammert.
Der Film stellt überzeugend Fragen zu Verantwortungsbewusstsein, Mutterliebe und Formen der Überforderung, die am Ende ein vielschichtiges und durchweg überzeugendes Gesellschaftsbild entfalten.
Skandinaviens Crème de la Crème
Susanne Bier ist Profi genug, um die Emotionen ihres Publikums von Anfang an in die gewünschten Bahnen zu lenken und die Zuschauer auf dem Weg zu einem konsequenten und doch hoffnungsvollen Ende über so manches nachdenken zu lassen.
Ihr mit der Crème de la Crème skandinavischer Schauspielstars besetzter Film hat damit, wie schon bei „Brothers“ geschehen, das -Potenzial, in absehbarer Zeit aufgrund seiner cleveren Geschichte als (eigentlich unnötiges) US-Remake von Hollywood nacherzählt zu werden.\
Bewertung der redaktion
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