Von Heiner Jordans
Max liebt Agathe. Agathe liebt Max. Agathes Vater schätzt Max. Max und Agathe wollen heiraten. Wo liegt das Problem?
Max ist nicht einfach Max, sondern vor allem ein Jägersmann. Agathe ist nicht einfach Agathe, sondern vor allem die Tochter des Oberförsters Kuno. Und Kuno ist nicht einfach Vater und Oberförster, sondern vor allem der Nachfahre eines legendären Oberförsters, der doch seinerzeit mit einem legendären Schuss den Waldfrevler Soundso von ewiger Qual erlöst hat.
Seitdem darf die Oberförsterstochter nur heiraten, wer einen schweren Probeschuss besteht. Will das jemand? Das steht nicht zur Debatte. Gesetz ist Gesetz.
Fluch und Hoffnung
Max ist gutherzig, zuverlässig und auch ein sicherer Schütze, trifft aber in letzter Zeit nicht mehr. Kann sein, dass der Teufel da seine Finger im Spiel hat.
Max fühlt sich jedenfalls verflucht. Aber Agathe hofft und singt: „Gewiss, er hat den besten Schuss getan, das kündet Glück für morgen an.“ Die von Katharina Hagopian schön gesungene Melodie entschädigt für den Text.
Max vereinsamt
Auch Chris Lysack als Max gewinnt seiner Rolle viel Leidenschaft und Gefühl ab, auch wenn sein Text von Agathes Liebesblicken handelt, wenn er ihr reiche Beute vor die Füße legt.
Überhaupt gibt es in dieser Oper eine ganze Reihe schöner Melodien, die aber leider wiederholt durch ein etwas zu hölzernes und zu lautes Orchester ihren lyrischen Ton einbüßen.
Max gelingt kein Schuss mehr, Versagensangst tut ihr Übriges dazu und er vereinsamt plötzlich in der steifen Gesellschaft der fröhlichen Jägersleut. Männer wie Frauen verspotten Max, denn das sei so Brauch, sagen sie und merken nicht, wie verzweifelt Max ist.
Bunker in Tarnfarben: der deutsche Wald?
Merkwürdig berührt einen die Fröhlichkeit in dieser Oper: Sie gerät immer steif und zu sehr Schulter klopfend, gefühllos und eng, vor allem eng.
Diese Enge strahlt auch das nicht sehr angenehme Bühnenbild von Detlev Beaujean aus: Es erinnert an das Innere eines Bunkers, der in Tarnfarben gestrichen ist – der deutsche Wald?
Wie eine Phalanx zieht sich der spottende Chor zu Volkstanzrhythmus vor Max zurück. Dem Chor übrigens gelingt es nicht immer das sehr hohe Tempo des Orchesters direkt aufzugreifen und klappert manchmal hinterher.
Hilfe beim Teufel
Max weiß sich nicht zu helfen, findet durch Kaspar Hilfe beim Teufel. Sieben „Freikugeln“ werden in der Wolfsschlucht gegossen, jeder Guss musikalisch und von der Inszenierung her eine starke Steigerung.
Mit der letzten Freikugel will der Teufel als Entgelt Agathe treffen.
Pech für den Teufel: Agathe fällt nur in Ohnmacht, getroffen wird Kaspar. Um den ist’s nicht schade, war ja der Spießgeselle des Teufels und gehört bekanntlich nicht zu uns, der wird in der Wolfsschlucht entsorgt.
Satirisches Ende
Es bedarf eines Eremiten, um den Menschen klarzumachen, dass das Gesetz vom Probeschuss selbst inhuman war. Da wäre sonst keiner drauf gekommen.
Der Regie scheint dieses Happy End wohl auch zu eng und bieder. So wendet sie die Schlussbilder ins Satirische: Vor der Kulisse der fröhlichen Jägersleut, die sich gerade noch mit dem Blut eines Rehbocks zugeprostet und sich dabei die Münder verschmiert haben, sitzen Agathe und Max friedlich und steif nebeneinander und vor ihnen liegt friedlich und steif der ausgeweidete und ausgeblutete Rehbock.\
WEITEREMPFEHLEN