Von Kira Wirtz
Es ist der Alptraum eines jeden Schauspielers. Erst den Text vergessen und sich dann ins Unentwirrbar verheddern. Aber genau das wird gerade vom Ensemble des Theater Aachen momentan erwartet und geprobt.
Nach einer knappen Woche Probe resümiert Ewa Teilmans: „Hier wird schon einiges von den Schauspielern verlangt. Neben komödiantischem Esprit vor allem höchste Konzentration und Artistik, alles muss minutiös aufeinander abgestimmt sein.“
Hier wird akribisch geprobt, bis es klappt, dass nichts klappt. Türen schlagen, klappern und knallen, Streitigkeiten werden ausgetragen, Textpassagen wiederholt und wo steht eigentlich der Teller mit den Sardinen?
Showtime
Die Handlung der Stück-im-Stück-Farce: Ein Tourneetheater steht unmittelbar vor der Premiere seines neuen Stücks „Nackte Tatsachen“. Der Zuschauer sieht zunächst die Generalprobe des ersten Aktes von vorne.
Und verfolgt, wie wenige Stunden vor der Premiere einfach nichts klappen will. Absurditäten, merkwürdige Unwahrscheinlichkeiten und Zeitnot führen zu vergessenem Text und verpassten Einsätzen.
Die Türen im Bühnenbild klemmen, die Requisiten sind nicht am rechten Ort, eine Kontaktlinse geht verloren und einer frönt lieber dem Alkohol statt der Schauspielerei. Und das bei einem Stück, bei dem Timing alles ist. Trotz aller Bemühungen des gestressten Regisseurs Lloyd Dallas machen völlige Übermüdung und unfähiges Personal einen strukturierten Ablauf unmöglich.
„Wahre Dramen spielen sich ab. Allerdings verborgen unter einem dichten Slapstickhagel.“ Nur mit Mühe erreicht das inzwischen völlig verwirrte Ensemble das Finale des ersten Aktes.
Und dabei bleibt es auch. Denn mehr als den ersten Akt bekommt der Zuschauer nicht zu sehen. Diesen dafür aber gleich dreimal.
Ruhe bitte – Noise off
Wenn es nach der Pause im Theater Aachen mit dem zweiten Akt dieses nackten Wahnsinns weitergeht, ist die Truppe mit dem Stück auf Tournée.
Diesmal jedoch darf der Zuschauer sehen, was er sonst nie sehen kann: die Ereignisse auf der Hinterbühne vor dem Auftritt der Schauspieler. Sie ringen um Durchblick und versuchen der Inszenierung die Treue zu bewahren, obwohl gleichzeitig private Befindlichkeiten und Emotionen backstage für Dramen sorgen: Streitigkeiten, Eifersüchteleien, Liebesgeschichten – jede Figur hat ihre Tragik.
Zu was für einem Chaos das alles führen kann, sieht der Zuschauer im dritten Akt diesmal wieder von vorne. Es ist eine der letzten Vorstellungen, die das Tourneetheater gibt. Mittlerweile hat der Wahnsinn um sich gegriffen.
„Der Akt ist kaum wieder zu erkennen“, verrät Teilmans. „Denn jetzt klappt wirklich gar nichts mehr.“
Doch bis es klappt, dass nichts klappt, hat das Team um Teilmans noch einige Proben vor sich, um dem Publikum mit Timing, Slapstick und klugem Witz Tränen in die Augen zu treiben. Bei den Proben wurde jedenfalls neben aller Konzentration schon viel gelacht. Ein gutes Zeichen!\
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