Von Kira Wirtz
„Der Gang vor die Hunde“ – das war der Titel, den Erich Kästner ursprünglich für seinen ersten Erwachsenen-Roman vorgesehen hatte. 1931 erschien er jedoch als „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ in einer weniger drastischen Edition. Die Verleger befürchteten eine Zensur von Kästners Erstvorschlag. Der Autor, der zwar wenig begeistert war, nahm die Änderungen in Kauf. 2013 wurde dann aber doch noch seine Originalversion veröffentlicht und genau diese zeigt das Theater Aachen mit einem großen Ensemble ab Ende September.
„Wir haben „Der Gang vor die Hunde“ einbezogen“, erläutert Inge Zeppenfeld, „da diese Urfassung in Kästners Sinne war. In großen Teilen sind die beiden Versionen identisch, nur ist die Originalversion an einigen Stellen wesentlich schärfer.“ Das betrifft Passagen des Originals, die 1931 politisch zu scharf oder sexuell zu freizügig wirkten und dem Strich des Lektors zum Opfer gefallen waren.
Zum Inhalt
Der junge Germanist Jakob Fabian arbeitet als überqualifizierter Werbetexter in einer Zigarettenfabrik, wo er sich zunehmend fehl am Platz fühlt.
Die anonyme Großstadt rauscht an ihm vorbei, Vertrauen hat er einzig zu seinem politisch engagierten Freund Labude. Mit ihm zusammen taucht er in die schillernde Scheinwelt des Berliner Nachtlebens ein. „Es ist eine abstruse Welt sexueller Natur, in der die beiden verkehren. Ein bisschen wie die wilden Partys und Orgien heute im Berghain oder im KitKat Club“, beschreibt von Treskow die Szenerie.
Fabian ist der stille Beobachter, der immer tiefer ins Elend rutscht. Dabei sieht es zu einem bestimmten Zeitpunkt so aus, als habe Fabian mit der Rechtsreferendarin Cornelia Battenberg sein Glück gefunden. Sie ist die Frau, in die er sich verliebt und mit der er sich eine Zukunft vorstellen kann. Doch Cornelia verlässt ihn, um Karriere zu machen. Sein Freund Labude, der ebenfalls Liebeskummer hat, bringt sich anlässlich eines Scherzes über seine Dissertation um. Am Ende ist Fabian alleine, ohne Job, ohne Liebe und ohne seinen Freund. Der Großstadtmoloch, die sozialen Unruhen und das Elend treiben ihn schließlich dorthin zurück, wo er hergekommen ist, zu seinen Eltern in die Provinz. „Und weil es unglücklicher nicht kommen kann, ertrinkt er, weil er, der nicht schwimmen kann, ins Wasser springt und versucht, ein Kind zu retten.“
Das ist Fabians Geschichte. „Natürlich kennen wir alle Kästner als liebevollen Kinderbuchautoren. Und auch in diesem Roman ist er ein wunderbarer Erzähler, aber,“ wirft Zeppenfeld ein, „dieser Roman der Neuen Sachlichkeit ist alles andere als ein Märchen. Es ist – vielleicht für den einen oder anderen unerwartet – die krasse Beschreibung einer Zeit, die aus den Fugen geraten ist, gefüllt mit Figuren wie von George Grosz gezeichnet und Situationen, die aus der Feder Kafkas stammen könnten. Das liefert natürlich prägnante Bilder und Szenen für die Bühne.“ „Und weil Kästner zudem ein großer Dialogschreiber war, eignet sich sein Roman bestens als großes Ensemble-Spiel“, ergänzt Christian von Treskow.
Großstadt auf der Bühne
Zwölf Darsteller schlüpfen in rund 50 Rollen, um die Dynamik und das Treiben in der Großstadt abzubilden. Genauer gesagt sind es neun Schauspieler, die mit raschen Umzügen ihre Rolle wechseln. Die Darsteller der drei Hauptfiguren Fabian (Philipp Manuel Rothkopf) Cornelia (Judith Florence Erhardt) und Labude (Tim Knapper) bleiben in ihren Rollen. „Da ist eine ganz gewaltige Infrastruktur hinter der Bühne gefragt“, weiß von Treskow.
„Es ist wichtig, dass alles auf die Sekunde genau getaktet ist.“
Bereits im Juli begannen die Proben. „Es steht selten jemand still. Das Spiel ist sehr körperlich. Was wir definitiv schon sagen können: Das wird kein Sprechsäulentheater.“
Kästners Roman ist eine drastische Geschichte, mit jeder Menge Skurrilität und rätselhafter Absurdität. Spielt das Original im Berlin der 30er-Jahre, heben Zeppenfeld und von Treskow diesen Kontext auf. Es geht um die Rast- und Ruhelosigkeit in der Großstadt. Darum, ob es sich lohnt, die Welt zu verbessern, und ob die Gesellschaft als System oder der Mensch als Individuum geändert werden müsste. Und diese Themen sind zeitlos und allgegenwärtig.
30.9.2017
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
WEITEREMPFEHLEN