Von Jana Halm
Es ist das Jahr 2068. Das Das Da Theater wie wir es kennen, existiert schon lange nicht mehr. Stattdessen dient es heute als Altersresidenz der in die Jahre gekommenen Schauspieler. Eigentlich wäre auch alles ganz schön, wäre da nicht Schwester Julia (Julia Alsheimer). Sie kann einem wirklich den letzten Nerv rauben und mit ihren Kinderliedern kommt man sich vor wie im Kindergarten. Schön brav muss mitgesungen und an den richtigen Stellen geklatscht werden: „Wir klatschen in die Hände, klatsche, klatsche, klatsch …“. Besonders ärgert es Frau Scheibe (Tine Scheibe), wenn Julia die Bühne betritt. Da hat sie nichts verloren. „Die Bühne gehört uns!“, stellt sie deutlich klar. Als wäre das nicht schon schlimm genug, malträtiert Julia die Residenten mit morbiden Gesangseinlagen über das Sterben und den Tod.
Doch wehe, Schwester Julia verlässt den Raum. Dann gibt es für die Senioren kein Halten mehr. Von dem ein oder anderen Gebrechen und den etwas morschen Knochen lassen sie sich nicht aufhalten. Sie stürmen die Bühne und schwelgen in alten Zeiten. Ein wenig Schnaps aus dem Flachmann und ein kleiner Joint tragen zur richtigen Stimmung bei. Frau Scheibe blüht regelrecht auf, wenn sie an ihre rebellischen Zeiten denkt. So wohnte sie einige Zeit auf einem Baum im Hambacher Forst und demonstrierte gegen den Braunkohletagebau. Auch bei den Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Tihange war sie ganz vorne mit dabei. „Das waren noch Zeiten! Früher war es besser!“, erklärt sie den anderen nicht zum ersten Mal.
Neben der tollen schauspielerischen Leistung lebt das Stück vor allem von den musikalischen Einlagen – es ist schließlich ein Musical. Mal geht es mit Songs wie „Born to be wild“ von Steppenwolf rockig zu, mal wird es eher melancholisch, wie bei „Yesterday“ von den Beatles, und mal gibt es lustige Tanz-einlagen zu Songs wie „Sex Bomb“ von Tom Jones.
Dabei spiegeln die Songs immer die aktuelle Stimmung der Figuren wider und runden das Paket aus Schauspiel und Gesang perfekt ab. Abwechslung ist garantiert. Eine gelungene Mischung aus traurigen, lustigen und teilweise auch recht abstrusen Situationen, bringt das Publikum mal zum Lachen, regt zum Mitklatschen, aber auch zum Nachdenken an.
Die Inszenierung des Musicals von Erik Gedeon feierte unter Leitung Tom Hirtz‘ im ausverkauften Das Da Theater Premiere.
Auch 2068 wacht Theaterleiter Hirtz noch von der Empore aus über die verbliebenen Schauspieler und die Theaterbühne.
Der Clou: Tom Hirtz spielt sich nicht selber, sondern wird dargestellt von Simon Lenzen. Von dem alten Ensemble geblieben ist Herr Eeisenburger (Christoph Eisenburger), der ab und an mal einen Zug aus dem Beatmungsgerät braucht, am Klavier aber noch top fit ist. Er begleitet Frau Scheibe, Herrn Steffen (Tobias Steffen), Herrn Sachtleben (Malte Sachtleben), Herrn Bittner (Maciej Bittner) und Frau Winter (Regina Winter) am Klavier.
Interessant ist, dass die Schauspieler sich selbst spielen und sich damit auseinandersetzen mussten, wie sie wohl im Alter einmal aussehen und was für Marotten sie haben werden. Ausnahmslos allen ist diese Wandlung gelungen.
Das Stück bringt das Publikum aber auch zum Nachdenken. Trotz aller Lacher herrscht in einigen Momenten Stille im Saal. Man stellt sich die Fragen, wie man selbst wohl im Alter sein wird, wie man leben wird und auch die aktuell diskutierte Frage, wie man mit alten Menschen in unserer Gesellschaft umgeht, kommt auf. Im Vordergrund steht jedoch ganz klar der Spaß am Theater und der Musik. Der Funke springt bereits am Anfang über und bleibt bis zum Schluss erhalten. Sicher auch ein Grund, warum das Publikum nach der Premiere das Theater vollauf begeistert wieder verlässt. \
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