Der Beginn der Ferien. Für Außenseiter wie Maik (Felix Strüven) werden in der sommerlichen Party- und Freibadzeit die härtesten Schatten geworfen: Zwangspause vom hoffnungslosen Werben um die Stufenschönheit und unausweichliche Konfrontation mit einem kaputten Elternhaus. Maik ist „wohlstandsverwahrlost“.
Der neue Klassenkamerad Tschick (Robert Seiler) scheint dagegen nur der gewöhnlichen Asozialität entschlüpft. Maik bleibt kaum Zeit, seine Sommerdepression zu verteidigen, da zieht ihn Tschick schon in den geknackten Lada Richtung Walachei…
Kein Floß, dafür ein rostiger Lada
Die Flucht vor den Eltern, die eigentlich eine Flucht vor der Ungewissheit des eigenen Erwachsenwerdens ist, ist seit Jahrhunderten Thema, speziell in der amerikanischen Literatur. Etwa in Salingers „Der Fänger im Roggen“ oder Twains „Die Abenteuer von Tom Sawyer“. War es bei Tom Sawyer das Floß auf dem Mississippi, ist es bei Maik und Tschick ein rostiger, klappriger Lada.
Wolfgang Herrndorfs erfindet in seiner Romanvorlage die Jugend nicht neu. Er versteht es allerdings, sie gekonnt in Szene zu setzten. Entsprechend zeitlos wirkt auch die Inszenierung von Lilli-Hannah Hoepner, ein Indiz dafür, dass hier sehr viel richtig gemacht wurde.
Die vier Gesichter der Emilia Rosa de Fries
Robert Seiler und Felix Strüven spielen authentisch – und das ist größtes Kompliment. Kein persiflierender Slang, um sich die einfachen Lacher abzuholen. Dass bei dem durchaus wehmütigen Stoff trotzdem viel Humor durchbrechen kann, ist vor allem Emilia Rosa de Fries Verdienst.
In ihren vier (!) Rollen spielt sie an der Grenze zum Klamauk, um das Gleichgewicht zwischen Tragik und Komik gekonnt zu balancieren. Nach 90 Minuten in und um einen zersägten Lada blickt man auf die wabernden Wellen des elterlichen Pools – aber den Mississippi hat man trotzdem gesehen. /// Thomas Glörfeld
„Tschick“
2.,11.,16.,19., 21., 24., 29.+30.11.
20 Uhr, Mörgens, Theater Aachen
Karten gibt’s bei KlenkesTicket im Kapuziner Karree
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