Hannah (Johanna Falckner) – „von hinten wie von vorn“ – ist in heller Panik. Auf dicken Socken flitzt sie hektisch durch die Wohnung und rafft ihre Habseligkeiten zusammen. Immerhin kommen in nicht mal einer Stunde die Wohnungstauschpartner aus Zürich, doch ihr Freund Sebastian hat noch nicht gepackt.
Sebastian (Tim Knapper), Kulturhistoriker mit brauner Breitkorthose und mäßiger Auftragslage, sitzt in einem Zimmer voller Bücher und liest und philosophiert über die Seele seiner Wohnung. Knapp eine Stunde vor Abreise hat er sich überlegt: „Ich lasse mich nicht umsiedeln. Ich bin die Seele dieser Wohnung!“
Zunächst mit Geduld, dann mit aufsteigender Wut, versucht Hannah Sebastian zum Packen zu überreden. Schnell wird klar. In dieser Beziehung stimmt was nicht.
„Neue Wohnungen sind der Horror“
Sebastian, neurotisch mit Tendenz zum Autismus, hasst Umzüge, neue Wohnungen, neue Nachbarn und deren Leidenschaft Möbel zu verrücken. Hannah gibt Bankern Atemschulungen und ist daher beruflich gezwungen, alle paar Monate umzuziehen.
Vom letzten Umzug nach Frankfurt hat sich Sebastian noch immer nicht erholt. Schweißperlen treten ihm auf die Stirn, wenn er nur an die unmöglichen Nachbarn denkt, die scheinbar ohne Unterlass Möbel durch ihre Wohnung gerückt haben. Sein Fazit: „Neue Wohnungen sind der Horror.“
Überzeugende Hauptdarsteller
Bevor das Pärchen die Umzugsproblematik noch weiter vertiefen kann, klingelt es und die Wohnungstauschpartner Roman (Karsten Meyer) und Magdalena (Julia Doege) stehen vor der Tür. Roman, Ingenieur bei einer Firma, die Satelliten baut, hat es eilig. Denn er hat genau eine Stunde Zeit, sein Equipment aufzubauen, um sich per Livestream den Start des Satelliten anzusehen, für den er die Beschichtung der Atombatterie entwickelt hat.
Jetzt sind vier Personen auf der Bühne, die sich fremder nicht sein könnten. Ein bisschen erinnert die Situation an Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“, nur, dass hier nicht ein verprügeltes Kind der Aufhänger der Ehehöllen-Offenbarung ist.
Hier endet eine simple Schlüsselübergabe in einem Desaster: Weltanschauungen, Lebensentwürfe und Beziehungskonzepte prallen mit zeitgemäßem Witz aufeinander. Etwas wirklich Neues fördert das Stück zwar nicht zu Tage, dennoch überzeugen die vier Darsteller in ihren stark überspitzen Rollen und bringen das Publikum mit satirischen Kommentaren und jeder Menge Situationskomik zum Lachen. /// KW
1., 13., 20. 2.
„Wir lieben und wissen nichts“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
Tickets gibt’s bei KlenkesTicket.
Foto: Marie-Luise Manthei
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