Die Höllenhunde fletschen ihre Zähne. Laut und bedrohlich. Ismene, Schwester von Antigone und zweite Tochter von Ödipus und Iokaste, scheint das nicht zu stören. Im engen Gefängnis beginnt die Verbannte mit dem, was sie zuvor so gut wie nie getan hat. Sie spricht. Über alles.
Bewegtes Schicksal
Ihr Schicksal hat die niederländische Dramatikerin Lot Vekemans dazu bewegt, das Monologstück „Schwester von“ zu verfassen. Unter der Regie von Mona Creutzer verwandelt sich die Bühne im Theater K zu einem Verließ voller Fliegen und voller Decken. Anna Scholten, die die Rolle der Ismene spielt, lädt das Publikum ein, einen Einblick in ihre persönliche Welt zu bekommen. Viel zu lange schon hat sie geschwiegen, die Demütigungen ausgehalten: „Für meine Schwester war ich ein niederes Wesen“.
Jetzt, in heutiger Sprache mit verzweifeltem Ton, ist Ismene diejenige, die ausspricht, was viel zu lange im Verborgenen blieb. Einen Mann und eine Familie gründen, das ist es, was sie eigentlich wollte. Macht spielte da keinerlei Rolle. Im Gegenteil zu ihrer Schwester Antigone, die sich immer gegen Kreon, den Herrscher von Theben stellte, obwohl Ismene sie bat – oder besser gesagt anflehte – dies nicht zu tun.
Der Tod wäre besser
Aber als vorsichtige und feige kleine Schwester wurde sie nur eins: Nicht gehört. Wie immer. Immerhin ist sie noch mit dem Leben davon gekommen. Zwar einem Leben in Verbannung, aber mit dem Leben. Doch, wäre der Tod nicht vielleicht sogar die bessere Lösung gewesen? Nachdem ihre Brüder Eteokles und Polyneikes im Kampf fallen, soll nur ersterer bestattet werden, Polyneikes nicht. Denn er kämpfte als Feind der Stadt.
Antigone, die Rebellin, die Verfechterin der Gerechtigkeit, aber auch die Verfechterin ihrer eigenen Ideale ohne Rücksicht auf Verluste, lehnt sich auch hier wieder gegen Kreon auf. Das Resultat dieser tödlichen Aktion sitzt nun in Verbannung. Als einzige Überlebende. Ismene ist eine junge Frau, die sich nicht hinter die ihr aufgezwungenen Ideale stellt, sondern eher von ihnen angeekelt und erschreckt ist. Sie spricht klar und mit starker Stimme, so, dass niemand sie überhören kann. Nicht noch einmal. /// sp
5., 12. + 13. 7.
„Schwester von…“
20 Uhr, Theater K
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