Von Kira Wirtz
Spannender Wirtschaftsthriller, romantisches Märchen oder eine Komödie? Ewa Teilmans inszeniert am Theater Aachen den Klassiker „Der Kaufmann von Venedig“. Und für sie erzählt Shakespeares Stück, neben dem ganz alltäglichen Rassismus, vor allem eines: Geld regiert die Welt.
Obwohl „Der Kaufmann von Venedig“ im Jahr 1600 geschrieben und 1605 uraufgeführt wurde, spiegelt Teilmans das Stück in die Gegenwart. Unter Dukaten kann man sich leicht Euro vorstellen, der Reichtum der Zukünftigen könnte der aktuellen Forbes-Liste entsprungen sein und wegen des Klimawandels sind möglicherweise die Weltmeere nicht mehr sicher. Regisseurin Ewa Teilmans ist begeistert von Shakespeares Vorlage, gibt diese ihr doch die Möglichkeit, eine alte, bekannte Geschichte zwar mit aktuellem Blick, aber mit seinen Worten zu erzählen. Möglich macht das vor allem Shakespeares Gabe für Sprache. So poetisch die Sprache ist, besitzt sie dramatische Eigenschaften, ist reich, differenziert, klug und witzig. Im Vorgespräch liest Teilmans ein paar der Textszenen, um dies zu verdeutlichen. Und die ungewöhnlich breite und reiche Skala der szenischen und sprachlichen Mittel, die mit Sicherheit die Phantasie des Ensembles fesseln, werden auch die Zuschauer erreichen und diesen Lust machen, weiterzudenken.
Zum Inhalt
Der junge Adelige Bassanio ist ein Dandy und lebt weit über seine Verhältnisse. Er hat zwar keinerlei Geld, dafür aber jede Menge Schulden. Zum Glück hat sein Freund Gratiano in irgendeiner Illustrierten gelesen, dass die junge Portia, die sicher auf der Forbesliste einen der obersten Ränge belegen würde, einen Heiratskandidaten sucht. Die Hindernisse: Das Werben wird teuer und es muss auch noch ein sogenannter „Kästchentest“ bestanden werden. Antonio, der Bassanio liebt, würde seinem Freund alles geben, nur ist er selber gerade nicht flüssig, weil all seine Handelsschiffe noch auf den Weltmeeren unterwegs sind und erst in den kommenden Wochen zurückkehren werden.
Und obwohl der Kaufmann und Christ Antonio Juden hasst, also auch Shylock, einen der reichsten Männer Venedigs, bittet er diesen um den Geldbetrag für seinen Freund Bassanio. Shylock gibt ihm das Geld und als Schuldschein wird – weil keiner der beiden denkt, dass es so weit kommt – ein Pfund von Antonios Fleisch aus der Nähe des Herzens als Pfand ausgestellt.
Die Sache spitzt sich zu: Bassanio besteht den Kästchentest und heiratet Portia. Shylocks Tochter Jessica wird von den Christen entführt, was seine Souveränität in Hass und Rache umschlagen lässt und Antonios Schiffe gehen unter. Und mit ihnen auch die Möglichkeit, Shylock das Geld zurückzuzahlen. Und dieser, aufs Äußerste verletzt durch den Verlust seiner Tochter Jessica, fordert sein Pfand ein. Er verlässt den Pfad auf dem Juden wie Lämmer zur Schlachtbank geführt werden und leistet Widerstand: Er fordert ein!
Großes Spektrum
„Für mich geht es hier nicht nur um Antisemitismus“, stellt Teilmans klar. „Es geht auch um allgemeinen Rassismus, wie er überall gegenwärtig ist. Shakespeare wusste, wovon er sprach. Liest man die Szenen um die Brautlotterie, sind diese voll von Kommentaren und Vorurteilen über die Bewerber aus den unterschiedlichen Ländern.“ Alle auftretenden Paarkonstellationen – und davon gibt es eine ganze Menge – handeln aus Geldgier. Und so tragisch die Geschichte Shylocks ist, der am Ende gedemütigt den Gerichtssaal verlässt, auch die anderen Figuren haben alle erwähnten Facetten in sich. Man fragt sich natürlich: Wer sind die Gewinner? Aber auch die mutmaßlichen Gewinner hinterlassen einen faden Beigeschmack. \
23.9.
„Der Kaufmann von Venedig“
18 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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