Hoheit langweilen sich. Paul, Prinz Paul, der ihr den Hof macht, steigert diesen Zustand ins Unermessliche. General Bumm hat ein Rezept: Piff, Paff, Puff – ein Krieg muss her. Das kleine Herzogtum Gérolstein gegen irgendeinen Nachbarstaat. Einfach so. Natürlich muss zuerst die Truppe inspiziert werden. Das machen Hoheit persönlich. Kampferprobte Männer in Uniform sind schon ein anderes Kaliber als dieser Langweiler Paul. Auf den einfachen Soldaten Fritz hat Madame ein besonderes Auge geworfen. Nicht, dass der mit Wanda liiert wäre! Flugs wird Fritz zum General befördert und ihm das Kommando für den Waffengang übertragen – sehr zum Leidwesen von General Bumm, Prinz Paul und Baron Puck, die daraufhin ein Komplott gegen Fritz schmieden.
Aus dem Krieg gehen die Gérolsteiner als Sieger hervor, weil sie am Vorabend der entscheidenden Schlacht den Feind besoffen gemacht haben und selbst (jedenfalls liegt das nahe) bei Mineralwasser geblieben sind. Die Großherzogin will ihre Liebe dem siegreichen Heimkehrer Fritz gestehen und muss erfahren, dass dieser Wanda liebt. Dann wird es richtig grotesk und am Ende heiratet Fritz seine Wanda und Madame ihren Paul in der Erkenntnis: „Wenn man nicht bekommt, was man liebt, muss man lieben, was man bekommt.“
Klar, Jacques Offenbachs Operette über die mannstolle Großherzogin des fiktiven Zwergstaates Gérolstein ist schon turbulent und schrill, aber auch gespickt mit wunderschönen Melodien des „Mozarts der Champs-Elysées“. Und vor allen Dingen eine beißende Satire gegen Militarismus, Korruption und Ämterpatronage. Nicht allen Großkopferten, die die Uraufführung anlässlich der Pariser Weltausstellung 1867 besuchten, passte das in den Kram.
Das Theater Aachen hat Offenbachs Operette anlässlich des 200. Geburtstages des in Köln geborenen Komponisten ins Programm aufgenommen. Die Regiearbeit wurde dem Andorraner Joan Anton Rechi übertragen. Dass der Slapsticks liebt, weiß man spätestens seit Don Giovanni aus der letzten Spielzeit. In Offenbachs Operette kann er aus dem Vollen schöpfen. Und er trifft in Aachen auf Sänger, die nicht nur ihr Metier verstehen, sondern auch übermütige Freude an der Schauspielerei erkennen lassen.
Die Sensation ist Irina Popova in der Titelrolle. Wer sie im vergangenen Jahr als Maria Stuarda oder als gestrenge Leonora in der „Macht des Schicksals“ erlebt hat, reibt sich angesichts ihres komödiantischen Talents verwundert die Augen. In der stimmlich nicht wenig herausfordernden Gesangspartie der kapriziösen, drallen Landesmutter in Pink läuft sie auch als Darstellerin zur Hochform auf.
In der gleichen Liga spielt auch Patricio Arroyo als Fritz. Umwerfend vor allem sein Minenspiel, wenn die Großherzogin bei seiner Musterung in den Nahkampfmodus wechselt. Und dann wäre da noch ein gewisser Nepomuk: Dass der junge Japaner Takahiro Namiki bereits als Kantaten- und Oratoriensänger auf sich aufmerksam machen konnte, glaubt man angesichts seiner feinen Tenorstimme gerne. Als Operettenstar meistert er seine Vielseitigkeitsprüfung mit Bravour. In der herrlich tuntigen Rolle des Adjutanten der Großherzogin avanciert er klar zum Publikumsliebling des Abends.
Chordirektor Jori Klomp stand bei der Premiere des „Großherzogin“ erstmalig am Pult des Aachener Theaters und mischt souverän Orchester, Solisten, Chor und Extrachor zu einem temporeichen, feinperlenden Soundtrack. Can-Can, wie könnte es bei Offenbach anders sein, gibt es natürlich auch. Operetten haben sich auf deutschen Bühnen ziemlich rar gemacht. Liebhaber der etwas leichteren Muse bevorzugen heute eher die Städtereise mit Musical-Event. Erfreulich, dass das Aachener Theater Offenbach mal wieder ins Programm geholt hat. Frenetischer Schlussapplaus eines begeisterten Publikums. \ uh
5.,15.,19.+25.5.
„La Grande-Duchesse de Gérolstein (Die Großherzogin von Gerolstein)“
verschiedene Uhrzeiten, Bühne, Theater Aachen
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
WEITEREMPFEHLEN