Von Richard Mariaux
Die Schließungen in der Aachener Gastronomie- und Clublandschaft haben in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen. Die Gründe sind vielfältig. Die betriebswirtschaftliche Unvernunft von Gastronomen, die Missachtung von behördlichen Auflagen, das verschärfte Nichtraucherschutzgesetz und die Bereitschaft einer in ihrer Ruhe gestörten Nachbarschaft, die so manche Fehde mit dem Vergnügungssektor nebenan zu führen bereit ist.
Aachens rund 50.000 Studierende machen mehr als ein Fünftel der Bewohner dieser Stadt aus. Wie wichtig den Vertretern aus Politik und Verwaltung diese junge, in guter Ausbildung stehende (und konsumierende) Bevölkerungsgruppe ist, wird sich zeigen. Immerhin nimmt ein nicht ganz kleiner Prozentsatz der Studierenden am örtlichen Kulturangebot eher alternativer Prägung teil – und eben nicht nur an Events wie „Feuerzangenbowle“ oder „Shuttle Party“.
Und Aachen besteht nicht nur aus der oberen Pontstraße, die zudem seit Jahren mit einem Imageverlust zu kämpfen hat. Über die Stadt verteilt haben sich Kieze entwickelt, die wie kleine Netzwerke organisiert, musik-, party- und kulturinteressierten Menschen ihre Clubs als zweites Wohnzimmer und darüber hinaus manchmal auch ein Straßenfest als gemeinsames Event aus Gewerbetreibenden und Anwohnern anbieten (Süd- bzw. Lothringerstraße). Eine besondere Kultur- und Musikpflege wird im Last Exit, Dumont, Hotel Europa, Raststätte, im zum städtischen Theater gehörenden Mörgens sowie im Café Egmont und dem Irish Pub Wild Rover betrieben.
Mit dem Keller fing es an
Begonnen hat die Abwärtsspirale mit dem Jazz. Der 1957 gegründete Malteserkeller musste nicht zuletzt wegen Beschwerden von Anwohnern dichtmachen. Für die Jazzkonzerte im urigen Kellerloch war ein vernünftiger Schallschutz schlicht nicht finanzierbar. Als nächstes ging es Punk an den Kragen. Dem Hauptquartier in der Promenadenstraße hat die Stadt jeglichen Konzertbetrieb untersagt – für eine Kneipe, die sich nicht zuletzt über laute Musik definiert, ein glattes Todesurteil. Mit dem schallschutz-verbesserten Nachfolger Kiez Kini versucht der Promenaden-Wirt Jörg Polzin (Sturmfrei!, Die WG) eine Neuauflage als Liveclub für Konzerte, Theater, Lesungen und so weiter.
Aktuell den größten Ärger hat das Last Exit, der nachbarschaftliche Kneipenarm des Off-Theaters Mörgens. Knall auf Fall wurde hier ein – was? – Exempel statuiert: das Verbot jeglicher Konzerte und Partyveranstaltungen. Eine Entscheidung, die Aachen bereits um ein Konzert des FAZ-Autoren Eric Pfeil gebracht hat, das im Dezember stattfinden sollte.
Zu lesen war in den letzten Wochen weiterhin über die Schließung der Cocktailbar Havana oder des ehemals in Aachen mit viel Pomp als Wiener Kaffeehaus eröffneten Roncalli Cafés, welches nach vielen Pächterwechseln zuletzt als Partyclub Stairs Anwohner und Behörden auf die Palme trieb.
Aber mehr schmerzt doch die Nachricht über das Ende des Jakobshofs in der Stromgasse. Die seit 1961 existente Kneipe mit Saalanbau mag als Vorzeigebeispiel in diesem Spiel unterschiedlicher Interessen dienen. Eine Traditionsgaststätte – und über viele Jahre ein Ort für Parteifeiern der SPD –, die sich finanziell neben einem engagierten Konzertprogramm nur unter Mithilfe von Partyveranstaltungen als Standort halten konnte. Aber dezibelstarke Konzerte sind der Nachbarschaft des Hubertusviertels ebenso ein Graus wie den Pächtern eine Objektmodernisierung des maroden Standorts, die in die Hunderttausende gehen dürfte. Fazit: Ab Mitte nächsten Jahres soll Schluss sein.
Neuanfang – nur wo?
Der Wille der Jakobshof-Betreiber ist es, einen neuen Standort zu finden. Und hier fängt das Problem an. Im innerstädtischen Bereich wird keinerlei Konzessionsvergabe für Spielstätten dieser Art mehr möglich sein. Die Suche geht also in die Randbezirke der Stadt, schlimmstenfalls in nüchterne, funktionswandelbare Hallen in kleineren Gewerbegebieten, wo man als Liveclub keinerlei Nachbarn zu fürchten hat und auch noch eine ausreichende Reihe von Parkplätzen für die Gäste vorweisen kann. Zu fürchten wäre hier nur die Abwesenheit des Publikums, zu Fuß ist es zu weit und Nachtbusse verkehren hier nicht.
Die letzte Schreckensnachricht kommt aus der Reihstraße. Das Aoxomoxoa muss Ende Mai 2014 schließen (siehe Interview Seite 5), das Haus soll abgerissen werden. Ob in dem geplanten Neubau Platz für den kleinen dunklen Club mit Schwerpunkt Punk, Indie, Dark Wave und Techno sein wird, ist schwer vorstellbar, bleibt aber abzuwarten.
Vergleichsweise gut geht es momentan Musikbunker und Autonomem Zentrum (AZ). Die beiden in ehemaligen Luftschutzbunkern beheimateten Spielstätten haben trotz früherer Probleme mit Nachbarschaft, Bauordnungs- und Ordnungsamt momentan ein bisschen Frieden im Haus. Das AZ hat einen langjährigen Vertrag mit der Stadt zur Sicherung des Standorts erhalten und der Musikbunker etabliert sich im 20. Jahr als Clubspielstätte mit starkem Programm und Proberaum-Heimstatt hunderter Musiker. Und auch das Franz hat seinen Weg mit leiseren Tönen und einem Kabarett- und Comedy-Programm gefunden.
Altes Thema
Das ganze Thema um den Erhalt von Clubkultur und Livemusik ist nicht neu. Zuletzt machte die SPD 2012 im Rahmen einer Podiumsdiskussion den Vorschlag, einen städtischen Club- und Szenebeauftragten einzusetzen, der zwischen den einzelnen Interessengruppen moderieren sollte. Zum Wahlkampfthema taugte das wohl nicht, auf jeden Fall hat man von dieser Personalie seitdem nichts mehr gehört. Und ob der Streit einen Monat vor Beginn des alles in Ehrfurcht versetzenden Karlsjahres geschlichtet werden kann, ist sehr fraglich. Wir können uns darauf einrichten, dass es still wird in Aachen. ///
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