Wo sie auftritt, gibt es Hühnerhaut, so beschrieb einst eine SF1-Moderatorin die legendäre Bühnenpräsenz der Sängerin, die vor 33 Jahren als Emilie Jeanne-Sophie Welti in Bern zur Welt kam und in Bonn, Zürich, London, Teheran und Neu-Delhi aufwuchs.
Seither hat die autodidaktische Komponistin schon in ganz Europa und Übersee reichlich Überzeugungsarbeit geleistet. Dank ihrer dynamischen Stimme, welche die Schönheit der gesungenen Wörter – seien es nun englische, französische, deutsche oder auch schwyzerdeutsche – so leidenschaftlich auskostet, konnte sie bereits für ihr 2007er Debüt „Sketches On Sea“ die Crème der Züricher Jazzszene gewinnen.
Eloquent und selbstironisch
Es ist also mittlerweile schon ein paar Jahre her, dass Sophie Hunger noch als das bestgehütete Pop-Geheimnis der Schweiz gehandelt wurde. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2016: Hunger gilt aktuell nach sechs sehr erfolgreichen Kammerpop-Alben und zahllosen Konzerten, die sie bis in die USA führten, als der aktuell heißeste Pop-Export der Schweiz. Denn Hunger, die äußerst wortgewandte, (dunkle) Grenzerfahrungen verschiedenster Art schätzende Diplomatentochter mit dem erstaunlichen Faible für Fussball (Tipp: Videoclip zu „Likelikelike“) und Tennisgott Roger Federer, hat die Stimme.
Na gut, vielleicht hat sie auch nur eine sehr schöne Stimme, sehr ausdrucksstarke Stimme. Gleich, was sie mit ihr anstellt, stets klingt sie unverschämt unangestrengt. Und dann dieses Lachen! Im Netz finden sich viele, sehr viele TV-Auftritte dokumentiert, die zeigen, wie es der neugierigen, belesenen, nachdenklichen, spontanen und doch immer recht eigensinnigen Künstlerin gelingt, sich gegenüber Heavies und Profis wie Harald Schmidt, Anke Engelke oder Schulz & Böhmermann derart eloquent, selbstironisch und originell zu behaupten, dass man aus dem Staunen über so viel Unbekümmertheit gar nicht herauskommt. Es ist höchst unterhaltsam, einmal am Stück anzuschauen, was passiert, wenn Hunger auf belanglose und eigentlich auch desinteressierte Routinefragen mit Schalk und Ernsthaftigkeit gleichzeitig antwortet. Eine Künstlerin zudem, die von sich sagt, dass sie häufig und ausgesprochen gerne lügt.
Musikalische Wundertüte
Die mittlerweile in Berlin lebende Hunger lässt sich nämlich nur ungern festlegen. Wofür sie gute Gründe hat: „Ich weiß nicht, was die Leute meinen, wenn sie sagen: ich bin so und so.“ Und „So und so“ ist auch ihre Musik nicht. Nie gewesen. Aber dabei immer besser geworden, von Indie- und Jazz-Ornamenten hin zum Singer/Songwriter-Pop, von Schlacke bereinigt, Dylan covernd: „Ich nehme, was mir im Kopf herumschwirrt, oft ist es nur ein Bild, ein Wort, das ich dann wachsen lasse wie einen Pilz.“ Assoziationsmaschine Hunger. In dem schönen, sehr sehenswerten TV-Format „Tonspur – Der Soundtrack meines Lebens“ überzeugte Hunger vor Jahren mit einer überaus geschmackvollen Zusammenstellung ihrer Favoriten: De La Soul, Bob Dylan, Nina Simone, Dan Le Sac vs. Scroobius Pip, Lhasa (de Sela), Camille, Tom Waits und Radiohead.
Die dann jeweils ausgesuchten Songs dieser Künstler zeugten ein weiteres Mal von einer Persönlichkeit, die aus gutem Grund nachdenkt, bevor sie den Mund aufmacht. Weil sie nämlich über Substanz verfügt. Mittlerweile hat Hunger sogar die kreativen Möglichkeiten des Studios schätzen gelernt, was ihr aktuelles, teilweise in San Francisco produziertes Album „Supermoon“ ziemlich bis ungewohnt poppig und großformatig klingen lässt. Poppig, aber mit Sinn für Geschichte und weiterhin mit unüberhörbar Schweizer Zungenschlag. Der psychedelische Titelsong des Albums könnte sich durchaus auch auf einem späten Album von Jefferson Airplane hören lassen. Und live arbeitet die anti-elitäre Charismatikerin mit der umwerfenden Bühnenpräsenz ja eh immer noch nach Laune mit dem nicht selten etwas rätselhaften Song-Material. Hängt vom Wetter ab. Von der Tagesform. Oder ob Roger Federer am Nachmittag gespielt hat. Und ob er gewonnen hat. \
24.7.
Sophie Hunger
20 Uhr, Burg Wilhelmstein
Tickets gibt es bei KlenkesTicket im Kapuziner Karree.
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