Die hochentwickelte Bildhauerkunst aus Utrecht war im Spätmittelalter hoch geschätzt – bis sie beim Bildersturm der Reformationszeit zum Blitzableiter des religiösen Fanatismus’ wurde. Drei Mal zogen radikalisierte Calvinisten zwischen 1566 und 1580 durch die katholische Kirche der alten Bischofstadt und schlugen den Skulpturen die Köpfe ab, stachen ihnen die Augen aus und steckten sie in Brand. History repeating, mag man angesichts des aktuellen Kulturvandalismus in Afghanistan oder Mali denken.
Die reformatorische Erneuerung des 16. Jahrhunderts führte dabei nicht nur zur Spaltung des Christentums, sondern letztlich auch zur Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien.In der Ausstellung werden rund 90 spätmittelalterliche Heiligenfiguren und profane Objekte aus Stein, Holz und Pfeifenton gezeigt, von denen allein fünf Skulpturen aus der eigenen Sammlung stammen, beispielsweise die „Hl. Dorothea“ – eines der Hauptwerke des Suermondt-Ludwig-Museums.
Das Kuratoren- und Restauratoren-Team des Suermondt-Ludwig-Museums und des Utrechter Catharijneconvents belegt mit dem rund 350 Seiten starken Katalog die kunsthistorische Bedeutung der Utrechter Bildhauerkunst.
Das farbig gefasste Retabel der norwegischen Leka-Kirche (um 1520, Meister des Utrechter steinernen Frauenkopfes) repräsentiert ebenso wie das Brustbild einer Frau aus Avesner Stein (Anf. 16. Jh., Catharijneconvent) die hohe Qualität der Utrechter Bildwerke – „Made in Utrecht“ als Markenlabel des 16. Jahrhunderts. Die prächtigen Altäre des Spätmittelalters erfüllten durchaus eine didaktische Funktion, kaum jemand konnte lesen und schreiben, so dass die Bildergeschichten der Glaubensunterweisung dienten. Nach den idealisierten und typisierten Figuren der Frühzeit entstanden an der Schwelle von der Spätgotik zur Renaissance spektakuläre Heiligenfiguren in Utrecht: Dorothea (um 1520/30, Suermondt-Ludwig-Museum) oder Magdalena (um 1520/30, LWR-Landesmuseum) sind in Ausführung und Detailreichtum herausragend, gekleidet in der Mode ihrer Zeit erscheinen sie lebensnah mit rosigen Wangen als wohlhabende Bürgersfrauen des 16. Jahrhunderts.
Kein Wunder also, dass diese – besonders gerne verehrten – katholischen „Pin-up-Girls“ den strengen calvinistischen Sittenwächtern ein Dorn im Auge waren.
Der Ausstellungsbesuch lohnt auch ohne christlich-theologisches Grundwissen oder tiefere Kenntnisse zu den niederländischen Unabhängigkeitskämpfen – die Schönheit der Objekte ist über alle Glaubensfragen erhaben. /// bep
ab 13.3.
„Made in Utrecht“
Suermondt-Ludwig-Museum
Eröffnung: 13.3., 17 Uhr (St. Adalbert)
Sonderöffnungszeiten zur TEFAF:
Mo-So 11-18 Uhr, Mi 11-20 Uhr
Katalog: 29,95 Euro
TEFAF
Die Ausstellung „Made in Utrecht“ wird zeitgleich zur größten Kunstmesse Europas, der TEFAF (The Europaen Fine Art Fair) in Maastricht, eröffnet. Zehn Tage lang präsentiert sich das MECC als „Mekka“ für Skulpturen und Gemälde Alter Meister, kostbare Juwelen, Paper Arts und Kunstgewerbe von der Antike bis zur Gegenwart.
15.-24.3.
TEFAF
11-19 Uhr, MECC, Forum 100, NL-6229 GV Maastricht
(24.3. 11-18 Uhr)
Foto: Ruben de Heer
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