Von Belinda Petri Das Suermondt-Ludwig-Museum punktet mit einer hochkarätigen und überraschend vielfältigen Kunstsammlung – und einem engagierten wissenschaftlichen Team. Unter der Arbeit im Museum stellt man sich im Allgemeinen vor, dass ein Nagel in die Wand geschlagen, ein Bild daran gehängt und dann in verschwurbelten Schachtelsätzen die Intention des Künstlers erklärt wird.
Das Suermondt-Ludwig-Museum will mehr sein als der berüchtigte elitäre Elfenbeinturm, neben hervorragender wissenschaftlicher Arbeit wird auf ein abwechslungsreiches Programm und viel Vermittlungsarbeit gesetzt. Das Team um Leiter Till-Holger Borchert setzt sich aus Expertinnen und Experten unterschiedlichen Alters und verschiedener Expertisefelder zusammen – und ergänzt sich seit Jahren erfolgreich.
Für die aktuelle Ausstellung „Heimspiel“ haben die Kuratoren Till-Holger Borchert, Sarvenaz Ayooghi und Ulrike Villwock die Ergebnisse ihrer kunsthistorischen und gemäldetechnologischen Forschung von flämischen Bildwerken aus der eigenen Sammlung anschaulich aufbereitet, bei der nicht nur der Blick durch das Mikroskop der Restauratorin neue Einblicke eröffnet. Sarvenaz Ayooghi ist bereits mit den Vorbereitungen zur nächsten Ausstellung beschäftigt, in den Sammlungsräumen stimmt sie gerade mit dem Aufbauteam die Farbtöne für die Wände ab.
„Die Arbeiten von Volker Hermes nehmen Bezug auf Kunstwerke aus unserem Bestand. Durch diese Brücke zur zeitgenössischen Kunst können wir ganz neue Formate entwickeln“, sagt die Kunsthistorikerin, die seit ihrem Volontariat 2013 als Kuratorin für Gemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts sowie Fotografie zuständig ist. Durch Hermes‘ Intervention gewinnt das Porträt einer Sechszehnjährigen von Miechiel van Mierevelt (1567-1641) zusätzlich an Brisanz, da die minderjährige Braut geradezu an den gesellschaftlichen Konventionen zu ersticken scheint.
Mit dem Pop up-Wohnzimmer „Chambre privée“ und den wöchentlichen „Kunstpausen“ – viertelstündigen Kurzführungen zu ausgewählten Kunstwerken – hat Ayooghi frischen Wind in den Museumsbetrieb gebracht.
Ihr zur Seite stehen im wissenschaftlichen Team Michael Rief, Dagmar Preising, Heinrich Becker, Wibke Birth, die Bibliothekarin Gabriela Borsch sowie die beiden Volontärinnen Sena-Marie Cirit und Maria Geuchen. Dass das Suermondt-Ludwig-Museum trotz des Sammlungsschwerpunkts „Mittelalterliche christliche Kunst“ nicht verstaubt ist, sondern mit der Zeit geht, zeigt der Forschungsschwerpunkt von Maria Geuchen: Sie setzt in einem Museum voller Marien- und Heiligenstatuen, Altären und Kirchenfenstern auf den Dialog mit Menschen verschiedener Weltanschauungen und Glaubensrichtungen, um durch die Einbeziehung „anderer Blicke“ kulturelle Teilhabe und Identifikation zu ermöglichen. So wird es im März eine „Kunstpause“ zu einem eher unbekannten Sammlungsgebiet geben: den arabischen Kunstwerken.
Die Sammlung umfasst archäologische Stücke aus römischer Zeit ebenso wie japanisches Kunsthandwerk, koptische Textilien und zeitgenössische Zeichnungen, genug Stoff für viele Ausstellungen und „Kunstpausen“ also.Die Kernaufgaben – Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln – erfüllt das Museum in vielfältiger Weise.
Stichwort Forschung: Die promovierte Kunsthistorikerin Dagmar Preising ist seit 30 Jahren als Kustodin für die grafische Sammlung und Skulpturen zuständig. Bei ihrem Start im frisch umgebauten Museum 1994 hat Preising zunächst die rund 10.00 Arbeiten umfassende grafische Sammlung fachgerecht aufgearbeitet und ein geeignetes Depotsystem für Preziosen wie die mittelalterlichen Miniaturen und Antiphonarblätter, rund 600 Architekturzeichnungen von Johann Joseph und Jakob Couven sowie die Studien von Alfred Rethel zu den Aachener Rathausfresken geschaffen. Sie war Leiterin des Couven Museums und betreut die Schriftreihe „Aachener Kunstblätter“. Die Liste ihrer Publikationen ist lang und auch, wenn sie Ende April in den Ruhestand gehen wird, ist für sie klar: „Ich arbeite auf jeden Fall weiter, denn die Beschäftigung mit Kunst ist für mich sinnstiftend!“ In ihrem Abschiedsvortrag am 14. April zu „Handelnden Bildwerken“ wird sie einen Ausblick auf die für 2025 geplante Ausstellung zum Thema geben.
Bei der Frage nach ihrem Lieblingskunstwerk lacht Dagmar Preising und sagt, dass sie die mittelalterliche Kunst liebe, aber keine Madonna oder ein Altarbild im Wohnzimmer haben wolle, dann schon lieber ein Bild von Heinrich Maria Davringhausen. \
Suermondt-Ludwig-Museum
Wilhelmstr. 17, Aachen
suermondt-ludwig-museum.de
Am Rande: Das Museumsgebäude geht im Kern auf das 1888 fertiggestellte Stadtpalais des Kratzenfabrikanten Eduard Cassalette zurück – eine prächtige Villa im Neorenaissance-Stil. Nach der Einrichtung als Museum und baulichen Erweiterungen 1901 und 1931 erfolgte 1992-94 eine umfassende Modernisierung samt Neubau durch die Architekten Busmann & Haberer.
Suermondt-Ludwig-Museum
Museumsverein Aachen e.V.
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