Jean-Michel Crapanzano verbindet Kulturerfahrungen. Der im französischen Metz geborene Medienkünstler lebt nach kunsthistorischen und künstlerischen Ausbildungen in Straßburg und Maastricht im niederländischen Kerkrade, hat über Stipendien Los Angeles, Washington und New York erlebt und ist über die deutsche Galerie ArtCo vertreten.
Metz und Kerkrade bieten insofern eine Mentalitätsverbindung, als hier ehemalige Bergbauzentren auf dem Weg zu einer Neuorientierung sind. An beiden Stätten hat Crapanzano meist junge Menschen gebeten, für ein Selbstporträt beliebig viele Gegenstände mitzubringen, die ihnen persönlich etwas bedeuten, ihnen gar heilig sind und etwas mit ihrer Erwartung für die Zukunft zu tun haben. Drei bis 100 Objekte brachten die bislang rund 40 Freiwilligen für die Serie „Ex voto“ als Quasi-Votivgaben in die Studios. In Anlehnung an in Frankreich noch verbreitete Straßenaltäre inszenierte Crapanzano die Personen als altartischartig Liegende und gruppierte mit ihnen die Gegenstände um sie herum. Selten sind es Objekte von materiellem Wert, meistens haben sie mit der persönlichen Geschichte und dem gewünschten Image zu tun, sind Erinnerungsmittel und Zielvorgabe zugleich oder in jenem Nebeneinander, das die widersprüchliche Normalität des Daseins prägt. Ein Projekt, das weitergeht und als zeitgenössische Mentalitätsgeschichte zu aussagekräftigen Vergleichsstudien heranreifen wird. Ein Waren- bzw. Objektbeziehungsstilleben ist es gleichwohl auch so.
Der Künstler verwertet die in der medialen Welt geläufigen Bildsymbole und macht dies durch Umcollagierungen bewusst. So entwirft er aus Kartenmaterial komplexe Kontinente oder Inseln, indem halbwegs passende Konturen zur Überlappung gebracht werden. Zugleich wechselt aber auch der Typ der Karte von topographischen in historische, wirtschaftliche oder politische und verdichtet die komplexen Informationen, die man über ein Land erhalten kann. Zeichenhaft wird deutlich, wie sehr auch durch solche Bildmittel, wie auch durch die Medienberichterstattung allgemein, in den Köpfen der Menschen Vorstellungen und Urteile über ein Land entstehen, das sie möglicherweise nie in ihrem Leben persönlich betreten. Es geht Jean-Michel Crapanzano durchaus um die bildnerischen Mittel und Assoziationskoppelungen, die er durch Analogiebildungen provoziert. Die teilweise gekippte Spiegelung von Industrielandschaftsfotos ergibt in einer anderen Serie Strukturen, die an afrikanische Masken erinnern. In einer weiteren Serie beschäftigt er sich mit der geheimnisvollen Schwerkraftsaufhebung der Levitationen und macht profane Industriegebiete eines erneuten Blickes und genaueren Hinsehens würdig, indem er schwebende Personen surrealisierend einfügt. Städte oder Länder repräsentierende Bezugssysteme von wahrzeichenhaften Objekten, die oft identitätsstiftend sind, kombiniert er im Duktus von CAD-Präsentationen und 3D Simulationen. Hinzu kommen Tische in Form von X-Chromosomen, auf denen Besucher im Sinne eines Miniaturparks verwahrlosten und nicht mehr gebrauchten Pflanzen eine neue Heimstätte geben können. Ideenreiche Projekte.
All diese Bildentwürfe und Adaptionen zeitgenössischer Bildgebungsverfahren für künstlerische Zwecke sind Arbeitsmaterial für Jean-Michel Crapanzano, das er mit Videoarbeiten bereichert und den jeweiligen Ausstellungsräumlichkeiten und Ortsbezügen entsprechend arrangiert. Immer geht es mit Bildern und grafischen Mitteln um die Bilder, die wir uns von der Welt machen und um die, durch die wir uns ein Bild von der Welt machen. Man darf gespannt sein, wie er sich im Raum für Kunst in der Elisengalerie ausbreiten wird. /// Dirk Tölke
11.2.-17.3.
Eröffnung 10.2., 19 Uhr
„Jean-Michel Crapanzano – Fotografie“
Raum für Kunst, Aachen
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