Von Christoph Löhr
Das Kino war schon immer ein Ort, an dem Besucher in eine andere Welt entführt werden sollten. Für gewöhnlich kommt diese Aufgabe den gezeigten Filmen zu. Beim Capitol am Aachener Seilgraben liegt die Sache ein wenig anders: Hier versprühen schon das Gebäude und seine Einrichtung selbst den Charme einer anderen Welt. Spätestens beim Betreten des Saals fühlt man sich wie durch ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum gefallen.
Nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen, die beinahe das komplette Jahr 2014 in Anspruch nahmen, atmet das Capitol den Geist der 50er Jahre, der Zeit seiner Entstehung. Stilsicher hat Betreiber Leo Stürtz der Aachener Kinolandschaft mit ihren rund 20 Leinwänden eine bis dato nicht gekannte Facette hinzugefügt: ein zeitlos schönes Design-Kino für Genießer – sowohl in cineastischer, wie auch in architektonischer Hinsicht.
Im Namen der Beinfreiheit
Bis ins kleinste Detail wurde das Gebäude in seinen Urzustand versetzt. Kosten hat Leo Stürtz dabei nicht gescheut. Alleine die Wiederherstellung des Mosaiks an der Fassade warf Ausgaben im fünfstelligen Bereich auf. Und auch im Inneren war das Beste gerade gut genug. Zwischen den gemütlichen Designer-Sesseln im Parkett stehen edle Nierentische mit dimmbaren LED-Lampen in Retro-Optik. Großzügig wird mit dem vorhandenen Raum umgegangen – auch im Oberrang.
Im Namen der Beinfreiheit wurden hier die Sitzreihen von acht auf fünf reduziert. Insgesamt 124 Zuschauern bietet das Capitol Platz: 41 unten, 83 oben. Jeder kann sich räkeln und strecken wie er möchte, ohne auch nur im Entferntesten Gefahr zu laufen, anderen dadurch den Filmgenuss zu vermiesen. Weniger ist mehr: Selten passte dieser Spruch besser.
Mut zur Bühnen-Bar
So besonders wie das Ambiente stellt sich auch die kulinarische Versorgung der Kino-besucher dar: An die Bühne schmiegt sich eine Theke, an der zwischen Einlass und Vorstellungsbeginn Speisen und Getränke gereicht werden. Mit herkömmlichem Kino-Catering hat das Gebotene wenig zu tun. Es gibt Currywurst, Cocktails und Wein. „Das Foyer bot wenig Platz für ein Verzehrangebot. Wir brauchten also eine andere Lösung“, berichtet Leo Stürtz aus der Planungsphase. „Die Idee einer Bar im vorderen Bereich des Saals ist von manchem als sehr mutig bezeichnet worden. Aber dieser Mut hat sich bezahlt gemacht.“
Das Angebot wird hervorragend angenommen. Manch ein Gast schaut sich sogar das Vorprogramm noch vom Barhocker aus an. Danach geht es ganz in Ruhe zu den Plätzen. Dass die Theke beim eigentlichen Film nicht im Weg steht, versteht sich von selbst. Auf derlei Feinheiten wurde bei der Konzeption des Raums besonders achtgegeben.
Erlebnis perfektionieren
Dass sich das Capitol in ein derartiges Schmuckstück verwandelt hat, liegt für Leo Stürtz daran, dass während der Sanierung so viele „gute Leute mit im Boot“ waren. Wie etwa die Koblenzer Architektin Brit Schneider, die ihre Erfahrung mit Kinosanierungen in die Waagschale warf, um die vagen Vorstellungen des Bauherrn in konkrete Pläne zu verwandeln. Vollendet ist das Gesamtwerk Capitol in dessen Augen aber mit der Wiedereröffnung noch nicht: „Die großen Maßnahmen sind vollzogen, jetzt gilt es, an den kleinen Schrauben zu drehen, um das Erlebnis für den Zuschauer zu perfektionieren.“
Kleine Schrauben wie etwa die Aufteilung des Angebots an der Bar, um die Wartezeiten zu minimieren. Auch auf der Suche nach größtmöglicher Kundenzufriedenheit zeigt sich die Detailverliebtheit des Betreibers. Dazu gehört auch die eine große Sache, die vom Konzept des 58er-Charms abweicht: Die Kinotechnik selbst ist auf dem allerneuesten Stand. Erst wenige Wochen vor der Eröffnung kam etwa die Bildwand auf den Markt. Dem zeitgemäßen Filmgenuss im zeitlosen Ambiente steht also nichts im Weg.\
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