Von Sebastian Dreher
Sie liebt besonders die Fahrten, die früh morgens beginnen, wenn die Nacht zum Tag wird und sie noch fast alleine auf den Straßen ist. „In die Morgendämmerung zu fahren, das ist das Schönste.“ Auch wenn es für einige Menschen nicht wirklich nachzuvollziehen ist, aber Sandra Pieper schwärmt von ihrem Beruf: Sie ist Busfahrerin.
„Eigentlich bin ich ausgebildeter Automobil-Mechaniker“, sagt Sandra Pieper, während sie es sich auf einer Werkbank in einer ASEAG-Garage an der Neuköllner Straße bequem macht. Warum sie nicht Mechanikerin sage? „So selbstbewusst sind wir“, lacht sie.
Vorkämpferin
1988 hat sie bei der ASEAG ein Praktikum gemacht. 1992, kurz nach ihrem Abi auf dem Einhard Gymnasium, fing sie dort die Ausbildung an – als zweites Mädchen überhaupt. Von ihren Kollegen wurde sie voll akzeptiert, alle waren sehr hilfsbereit. Nur in der Berufsschule haben die Lehrer hin und wieder blöde Bemerkungen gemacht und in Frage gestellt, dass Frauen den Job auf die Reihe kriegen.
Leider konnte sie von der ASEAG nicht übernommen werden, und auch nirgendwo sonst gab es Platz für einen weiblichen Mechaniker. „Die haben alle die gesetzlich vorgeschriebenen Umbaumaßnahmen gescheut“, erklärt sie. „Eigene Umkleide, Dusche und so weiter.“ Letztendlich kam sie als Serviceberaterin in einem Autohaus unter – 16 Jahre blieb sie dort.
Ruhe bewahren
Vor rund eineinhalb Jahren hat sie sich bei der ASEAG beworben – jedoch nicht als Mechanikerin, sondern als Busfahrerin. „Nach 16 Jahren ist man ziemlich raus aus der Thematik.“ Doch mittlerweile hat sie ihren neuen Job richtig lieben gelernt.
Auch wenn Pieper noch nicht so lange dabei ist, kennt sie doch die wichtigste Grundregel: Ruhe bewahren. „PKW-Fahrer verlieren schon mal die Nerven, wenn es eng wird.“ Dabei ist es einleuchtend, dass ein „Long Wajong“ – der in Aachen eingesetzte 25-Meter-Doppelgelenkbus – nicht einfach zurücksetzen kann. „Auch wenn die zetern: ruhig bleiben, irgendwann sehen die es ein.“
Zwischenfälle
Nur einmal ging es gar nicht mehr voran. „Ein LKW stand im Halteverbot, ich kam nicht vorbei.“ Mithilfe ihres freundlichen Wesens – Typ „Rheinische Frohnatur“ – konnte sie ein paar Fahrgäste überreden, auszusteigen und sie herauszumanövrieren. „Die hatten echt Spaß dabei.“
Bislang war Pieper in zwei Unfälle verwickelt: „Am Muffeter Weg kam ein PKW aus einer Seitenstraße und ich musste voll in die Eisen.“ Resultat: ein verletzter Fahrgast. Und auf der Peterstraße wurde sie von einem Auto gerammt. „Der Fahrer meinte, er hätte mich übersehen – unglaublich.“
Langweilig wird es nie
Von ihren Fahrgästen bekommt sie so Einiges mit. „Viele erzählen lautstark intime Dinge, die gehören einfach nicht in den Bus“, sagt Pieper und gibt zu: „Aber man hört natürlich hin.“ Oft muss sie sich ein Lachen verkneifen, etwa wenn sich pubertierende Schüler über ihr Liebesleben unterhalten.
Piepers Highlight war die Fußball-WM – da ging es hoch her im Wagen und alle waren gut drauf. „Im Bus fahren Leute aus allen Schichten“ sagt sie. „Hier wird es nie langweilig.“\
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