Die ausgebildete Deeskalationstrainerin Renate Schmitz hat ein Anti-Gewalt-Projekt ins Leben gerufen, welches sie
Kindern und Eltern im Kreis Aachen nahe bringt. In Schulen und Kindergärten versucht sie die Kinder spielerisch für das Thema Gewalt zu sensibilisieren.
Gleichmäßiger Trommelwirbel, sieben kleine Kinder im Vorschulalter laufen und hüpfen im Kreis. Dann wird es plötzlich still, bis alle gemeinsam beginnen zu singen. Es ist der achte Tag, an dem Renate Schmitz in der Integrativen Kindertagesstätte St. Josef mit einer Gruppe von zehn Kindern ihr Projekt durchführt. „Ich-Du-Wir-Ohne Gewalt“ ist der Leitsatz, an dem sich Renate Schmitz mit den Kindern Tag für Tag entlang hangelt. Durch die Auseinandersetzung mit den einzelnen Modulen – „Ich“, „Du“, „Wir“ – sollen Kommunikation und Einfühlungsvermögen gefördert werden. Denn Kommunikation und Einfühlungsvermögen sind die Basis einer gewaltfreien Konfliktlösung.
Das Modul „Ich“ ist zur Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes. „Denn wenn jemand bereit ist Gewalt anzuwenden, ist das fast immer auf eine tiefere Verletzung des Selbstwertgefühls zurückzuführen“, erklärt Renate Schmitz. An der Tür hängt ein großes Gesicht mit Augen, Mund und Ohren. „Pass auf deine Augen auf – Pass auf deine Ohren auf – Pass auf deinen Mund auf“ sprechen die Kinder gemeinsam. Das hat einen etwas ritualhaften Charakter, aber der sichere Ablauf erleichtert das Einprägen der Regeln und gibt den Kindern etwas, woran sie sich halten können. Beim zweiten Modul „Du“ soll die Kommunikation zwischen den Kindern gefördert werden. Hier geht es vor allem um Köpersprache und Verständigung. Als drittes wird das „Wir“ erprobt. Es werden gemeinsam Konflikte durchdacht und zusammen in der Gruppe Lösungsmöglichkeiten gefunden. „Vielen Kindern sind die Wahlmöglichkeiten in Konfliktsituationen gar nicht bewusst. Es kommt zur Gewaltanwendung, weil die Kinder keine Alternativen kennen.“
In der Integrativen Kindertagesstätte St. Joseph werden Kinder aus ca. 20 Nationalitäten gefördert, zum Beispiel durch die vielen Sportangebote. Draußen auf dem Hof gibt es einen Seilgarten, außerdem nehmen die Kinder regelmäßig an Schwimmkursen teil. Besondere Angebote sind der Yogakurs und das therapeutische Reiten. Die Bewegung sei ein ganz zentraler Punkt, da sie für ein gutes Körpergefühl und Selbstsicherheit sorge, so die Leiterin der Kindertagestätte Beate Berger. Gewalt resultiere meist aus psychischen Schwächen und Unausgeglichenheit. Durch Sport kann man dem entgegenwirken.
Gewaltprävention ist ein Thema, das immer wichtiger und akuter wird. Defizite in der Eigenwahrnehmung sind schon bei Kindern ein sehr häufig auftretendes Problem. Das Konsumieren rückt immer mehr in den Vordergrund und die Eigenaktivität der Kinder wird weniger. Dieser Entwicklung will Renate Schmitz entgegenwirken und führt ihr ehemals für Grundschüler entwickeltes Projekt mittlerweile auch mit Vorschulkindern durch. „Je früher ich anfange gemeinsam mit den Kindern zu arbeiten, desto mehr können sie sich in dieser Richtung des gewaltfreien Miteinanders üben.“
Nur zehn Tage dauert das Projekt. „Das ist nur ein kleiner Impuls, den ich den Kindern mit auf den Weg geben kann, am liebsten würde ich die Projekte in regelmäßigem Abstand durchführen.“ Aber einen Impuls zu geben reicht für den Anfang. Das sieht sie an den Reaktionen der Kinder. Mädchen und Jungen, die sich sonst eher still und zurückhaltend verhalten, blühen in diesen Tagen auf. „Man merkt, dass die Kinder das Projekt als etwas Besonderes empfinden.“
Text: Karin Bönig
WEITEREMPFEHLEN