Ob Bauhaus Europa, Tivoli, Campusbahn oder natürlich der Kaiserplatz: Der Aachener mischt sich ein, diskutiert. Eher Vor- oder Nachteil für Ihre Arbeit?
Es ist natürlich richtig und gut, dass sich Bürger um ihre Stadt kümmern und sorgen. Schließlich ist Aachen für alle der gemeinsame Ort – alle öffentlichen Flächen sind für die Bürgerinnen und Bürger gedacht. Mischen diese sich ein, können gute -Lösungen zutage kommen: Die Menschen kennen „jeden Kieselstein“, der auf Verwaltungsebene vielleicht nicht immer gesehen wird. Schwierig wird es dann, wenn eben dieser Verwaltung nicht abgenommen wird, dass sie nun mal aus Fachleuten besteht; im Dezernat arbeiten Bauingenieure, Verkehrstechniker und Architekten. Und schwierig ist, wenn es keine Kompromissbereitschaft gibt.
Diskussionen fanden also nicht immer auf Augenhöhe statt – was hat Sie dennoch rückblickend täglich motiviert, ihr Amt 16 Jahre zu bekleiden?
Ich habe diesen Job mit Leidenschaft gemacht! Das Tolle an diesem Beruf ist, dass man gemeinsam mit Menschen Ideen entwickelt, mit Kritik umgeht und letztlich daraus ein Produkt entsteht, das man in der Stadt sehen und wahrnehmen kann. Nehmen Sie den Elisengarten: Dessen Umgestaltung war sehr strittig. Heute spricht man sogar eher von einer Übernutzung der Rasenfläche.
Da kommen wir schon zum Konflikt „Grüne Politik“ vs. „Stadtbebauung“…
Natürlich bin ich grün vom Herzen her. Als Dezernentin habe und hatte ich aber natürlich die Interessen der Stadt zu vertreten. Für viele Menschen stehen Bäume für eine intakte Umwelt und somit unter absolutem Schutz. Eine Stadt verändert sich aber, muss sich verändern. Neue öffentliche Räume können das Fällen von Bäumen erforderlich machen; dafür werden aber neue Bäume gepflanzt. Das ist uns etwa bei der Umgestaltung am Templergraben gelungen, auch wenn es mir noch besser gefallen würde, gäbe es dort keinen Autoverkehr mehr. Generell wurde das dortige Areal aber für die Studierenden sehr gewinnbringend umgestaltet.
Für das Einkaufszentrum „Aquis Plaza“ mussten nicht nur ein paar Bäume weichen: Wie beurteilen Sie heute die damalige Vorgehensweise der Stadt, grünes Licht für die Abriss-arbeiten gegeben zu haben?
Das war ein ganz großer Fehler – von uns, von mir – einen Abriss zu gewähren, wenn man diesen nicht gleichzeitig mit einer Baugenehmigung verbinden kann. Das Projekt wurde in Verwaltung und Politik bis hin zum damaligen OB Linden auf Herz und Nieren geprüft; man hatte sich zudem über die Solvenz des Investors erkundigt. Leider war dies nicht Absicherung genug – eine schmerzhafte Erfahrung.
Auf dem Weg zu Ihnen habe ich den Krugenofen überquert – Baustellenfrust hautnah! Wie nehmen Sie diesbezüglich Stimmung und Kritik in Aachen wahr?
Viele Baustellen im Straßenbereich hängen mit Kanalerneuerungen zusammen. Ist die Straße erst einmal aufgerissen, kann im Anschluss zusätzlich die Oberfläche saniert werden. Beim Krugenofen kommt hinzu, dass ein großes Wohnbauprojekt Fernwärme erhält – deswegen mussten die Arbeiten vorgezogen werden. Gerade in diesem Fall funktioniert die Kommunikation mit den Anwohnern jedoch sehr gut und es gibt regelmäßige Bürgersprechstunden. Baustellen werden auch in den nächsten Jahren erforderlich sein; wichtig ist es, sie richtig mit den Anliegern zu kommunizieren.
Schauen wir nicht nur auf Ärgernisse: Welchen Projekten in der Stadt haben Sie Ihren Stempel aufgedrückt?
Mir gefällt der gesamte Innenstadtbereich! Angefangen beim bereits erwähnten Elisengarten über die Ursulinerstraße sowie rund um Rathaus und Dom. Hier sieht man auch ganz deutlich, dass die Bürger diese Umgestaltungen sehr gerne annehmen. Die Treppe am Rathaus? Wird ebenfalls trotz vorangehender Kritik bei schönem Wetter stark genutzt. Auch die Verkehrssituation für Fahrradfahrer hat sich stark gebessert. Neue Grünflächen in der Stadt sind zudem entstanden oder verbessert worden.
Stichwort „Grünflächen“: Wie ist es denn um Aachen als „Ökologische Stadt der Zukunft“ bestellt?
Bereits Anfang der 90er Jahre hatten wir mit diesem Titel die Möglichkeit, Projekte zu fördern, die stark in Richtung „Klimaschutz“ gingen. Wir sind weiterhin auf einem guten Weg, haben jedoch nach wie vor das Problem mit der Luftreinheit. Diese versuchen wir mittels verschiedener Maßnahmen zu verbessern. Bei den Feinstaubwerten ist uns das bereits gelungen, bei der NOx-Emission ist es jedoch noch problematisch.
Dennoch sprechen Sie sich bis heute gegen Plaketten und Umweltzonen für Aachen aus…
Ich habe keine Angst vor Umweltzonen, sollten diese das einzige Mittel sein, um Grenzwerte einzuhalten. Ich denke jedoch, dass unsere bisherigen Instrumente viel wirkungsvoller sind: Mehr dafür zu tun, dass Menschen auf Fahrräder umsteigen oder den Bus nutzen, und in Maßnahmen zu investieren, die dauerhaft eine Luftverbesserung bringen. Da wäre natürlich auch die Campusbahn ein riesiger Fortschritt gewesen.
Schwarz-Rot bedeutet nun das Ende Ihrer 16-jährigen Arbeit im kommenden Januar. Enttäuschung oder auch Erleichterung, nicht mehr Anlaufstelle für öffentliche Kritik sein zu müssen?
Den Stil mancher Kritik werde ich sicher nicht vermissen – „Nacken-Schläge“ und ähnliche Wortspiele empfand ich als unangemessen. Es fällt mir aber natürlich schwer, Abschied von dieser gestaltenden Politik zu nehmen und den vielen Kollegen. Ich habe die Projekte im Dezernat ja nicht alleine bewältigt, sondern sie basierten auf der guten Arbeit vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Welche Projekte muss die Nachfolge nun in der Stadt anpacken?
Wir sind gerade dabei, das zweite Innenstadtkonzept auf den Weg zu bringen: Im Mittelpunkt stehen hier Bushof und Büchel. Zudem läuft die zweite Phase der „Sozialen Stadt Nord“ für die nächsten fünf Jahre an – ein sehr lohnenswertes Projekt. Ganz wichtig bleibt natürlich die Fortentwicklung der Mobilität, gerade weil die Campusbahn gescheitert ist.
Treten Politiker auf höchster Bundesebene ab, gibt’s Musikwünsche. Mit welchem Song im Hinterkopf verabschiedet sich Gisela Nacken aus ihrem Amt?
Ach herrje! (lacht) Aber mir fällt was ein: „Non, je ne regrette rien!“\
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