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Nur 60 Kilometer von Aachen entfernt steht das belgische Atomkraftwerk Tihange. Nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986 mussten in 400 Kilometern noch Dörfer umgesiedelt werden.
Die radioaktiven Elemente kontaminieren selbst heute noch Felder, verseuchen Grundwasser, Seen und Flüsse und sorgen bei den Menschen für Tumor- und andere Erkrankungen.
Experte im Gespräch
Der Aachener Dr. Wilfried Duisberg ist Hausarzt im Ruhestand, Mitglied bei der IPPNW, einer Vereinigung von Ärzten, die sich für eine atomtechnologiefreie Welt einsetzt und seit fast 40 Jahren aktiver Atomkraftgegner.
Im Klenkes erklärt er, wie man sich im Falle einer Katastrophe verhalten sollte und warum es wichtig ist, sich für die sofortige Abschaltung der Kraftwerke einzusetzen.
„Zunächst einmal: In einem Kraftwerk ist Sicherheit mit eingebaut,“ lautet einer der beruhigenden Sätze im Gespräch mit Dr. Duisberg, das mich in Gänze allerdings in erhöhte Alarmbereitschaft versetzte.
Also: Es gibt viele konstruktive Maßnahmen, die ein noch größeres Unglück verhindern sollen, wenn wichtige Teile eines Reaktors funktionsuntüchtig oder zerstört worden sind. Das bedeutet aber nicht, dass nicht schon vorher radioaktive Gase in die Umwelt gelangen können, oder ein Supergau in jedem Fall verhindert werden kann.
„Bei einem Defekt in der Stahlwand mit einer Fläche ab sechs Quadratzentimetern kann eine Kernschmelze bereits nicht mehr zu verhindert werden.
Bei dem entstehenden Druckverlust siedet das Kühlwasser und entweicht, so dass die Brennstäbe nicht mehr gekühlt werden können. Sobald die extrem heiße Kernschmelze Kontakt zum Grundwasser hat, kommt es zu einer Explosion“.
Beunruhigend, dass man immer wieder hört, dass in Tihange mehr und mehr Risse festgestellt werden.
„Der Stahl wird dem Druck im Behälter irgendwann nicht mehr standhalten können.“ Der Betreiber des Kraftwerks, der belgische Konzern Electrabel, will dennoch keines der Kraftwerke runter fahren.
Zwar setzte sich in Aachen und der Region immer mehr Menschen verstärkt für eine Abschaltung der Reaktoren eingesetzt, aber was, wenn ein Unfall passiert, bevor es zum Herunterfahren gekommen ist?
Selbstschutz
„Im Falle einer Katastrophe ist die Stadt momentan so weit, dass es einige Katastrophenschutzmaßnahmen gibt“, so Duisberg.
Im Radio wird die Bevölkerung informiert werden, ob man Aachen verlassen oder sich in den nächsten Stunden besser in seiner Wohnung aufhalten sollte.
Ob Keller oder Autobahn - an diese Vorgaben sollte man sich dringlichst halten. Sonst sind die Straßen in Nullkommanichts verstopft.
Aber ehrlich, wer wird sich daran halten, sich zu Hause für einige Stunden einzuschließen, wenn die Kinder sich in der Schule oder im Kindergarten befinden? Die Strahlenbelastung im Auto ist um einiges höher, als in einem von Mauern umgebener Raum.
Vielleicht für ein besseres Gefühl vorab und im Ernstfall als wahrer Lebensretter rät Duisberg, sich „einfach -mehrere Atemmasken, die fein genug sind, radioaktive Stäube fernzuhalten“ zu besorgen und beispielsweise in der Handtasche oder im Wagen aufzubewahren.
Problem Jod-Tabletten
Im Falle eines Atomunfalls in Tihange würde es nach Berechnungen von Experten bei Westwind etwa vier Stunden dauern, bis uns eine radioaktive Wolke in Aachen erreicht. Drei Stunden bevor der menschliche Körper mit radioaktiven Stoffen in Berührung kommt, sollten allerdings Jodtabletten eingenommen werden, um sich so zumindest vor Schilddrüsenkrebs zu schützen.
Durch die knappe Zeit ist es in Aachen sehr unrealistisch, dass die Bürger mit Jodtabletten versorgt werden können.
Zwar sind bereits 300.000 Tabletten im Uniklinikum Aachen gelagert, doch sie gehören dem Land NRW. OB Marcel Philipp setzt sich zurzeit aktiv dafür ein, dass die Jodtabletten zumindest in Schulen verteilt werden.
Natürlich wünscht sich niemand, dass es überhaupt zu solch einer Situation kommt, doch Duisberg warnt: „Man darf nicht vergessen: Atomtechnik ist nicht beherrschbar. Man kann nur auf sie aufpassen.“
Daher setzt er sich wie auch in den letzten 39 Jahren weiterhin für das Abschalten der AKWs weltweit ein. \ von Kira Wirtz
Informationen zur Einnahme von Jodtabletten im Falle eines Unfalls im Atomkarftwerk finden Sie hier.
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