Es herrschte Spannung im Krönungssaal des Aachener Rathauses, als Hermann Maurer am Donnerstag brisante und hochaktuelle Fragen zum Thema Internet ansprach. Der mehrfache Ehrendoktor zog das Auditorium mit einer Kombination aus breitem Wissen und lebendigem Vortrag in seinen Bann, als er die Gefahren moderner Kommunikationstechnologien darlegte.
Zu dem Vortrag hatte die Initiative Aachen unter dem Motto „Überwacht, verroht, bedroht und verdummt uns das Internet?” eingeladen.
„Voll von Müll”
„Das Internet ist toll“, sagte er im Interview mit der AZ. Aber man müsse „die Möglichkeiten, Einschränkungen und Gefahren kennen.“ Beispielsweise verändere das Internet auf gefährliche Weise unsere moralischen Werte, unsere Einstellung zu Gewalt und Sex.
Als Informationsquelle habe es durchaus eine wichtige Berechtigung, aber man müsse die jeweilige Quelle kennen. Gerade die Social Networks seien oft voll von Müll.
Kognitive Fähigkeiten nehmen ab
Das Internet, mit Zeiträubern wie Facebook und Twitter, verändere den Menschen auf vielen Ebenen. Der Österreicher spricht von „Unterbrechungstechnologien“: SMS, Whatsapp- und Facebook-Nachrichten, die dazu beitragen, dass unsere Konzentrationsfähigkeit und unsere kognitiven Fähigkeiten abnehmen.
Zudem bedeute das Internet eine Gefahr für Branchen wie Handel, Buchdruck, Banken oder Reisebüros und trage zur Arbeitslosigkeit bei, ganz abgesehen natürlich vom drastisch zunehmenden Verlust der Privatsphäre durch gläsernes Einkaufsverhalten, die Überwachung durch Minikameras oder die Auswertung von GPS-Ortungsdaten.
Gefahr durch Cyberwar
Immer noch unterschätzt werde der Cyberwar, der Krieg im Internet. Dieser zerstöre nicht nur Bankkonten und sorge für falsche Bestellungen und überlastete Netze, sondern führe bei Angriffen auf Energie- und Kommunikationsnetzwerke auch zu Stromausfällen bis hin zu Ausfällen von Flugzeugnavigation. Diese massive Bedrohung von Menschenleben werde noch nicht ernst genug genommen. „Wenn sechs Wochen lang der Strom in Mitteleuropa ausfällt, sind 100 Millionen Menschen tot“, so Maurer gegenüber der AZ.
Maurer bietet auch Lösungen an: beispielsweise die teilweise Einführung von Handpumpen an Tankstellen sowie die Stärkung des kreativen Denkens und der Konzentration durch einen „internetfreien Sonntag“.
Nerv getroffen
Dass sich so viele Menschen für ein digitales Thema interessierten, zeigt, dass die Organisatoren unter Vorstandssprecherin Professorin Gisela Engeln-Müllges einen Nerv getroffen haben. Abgesehen von den Gefahren des Internets, sprach der Informatiker auch über die Nutzbarmachung neuer Energieformen wie Erdwärme, Kernfusion und Fracking und über eine „Entfernungssteuer“ auf Produkte zur Entlastung der Umwelt von weltweiten Transporten.\ ms
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