Von Sebastian Dreher
„Bis dahin habe ich mich gegen alles wehren können, doch seitdem weiß ich, was Wehrlosigkeit bedeutet.“ Wehrlosigkeit? Schwer vorstellbar bei einem Mann wie Leines Graworski, Einmeterachtundneunzig, Hände wie Bratpfannen und ein Blick, der sagt: „Besser erst nachdenken und dann reden.“
Leines wollte Europameister im Boxen werden – schon beim Händedruck wird klar warum. Dazu die Rockerkluft, Kutte mit Aufnähern, schwere Stiefel… Dieser Mann und wehrlos?Es gibt Leben, die ganz plötzlich eine Richtungsänderung erfahren. Leines’ ist so eins. Auch wenn er über die erste Phase seines Lebens nicht recht sprechen mag.
Bambi 2011 „Stille Helden“
„Zwanzig-Vier-Neunundneunzig. Punkt.“ So viel lässt er raus zum Todestag seiner Frau Kerstin, die mit 28 einem Krebsleiden erlag – der Fixpunkt seiner Hilflosigkeit. Über sein zweites Leben redet er gerne. Mit Zeitungsreportern, Fernseh- und Radiomoderatoren.
Seine Lebensgeschichte wurde von vielen Medien erzählt, WDR, Focus, ZDF, RTL. Für sein Engagement hat er neben anderen Preisen 2011 den Bambi in der Kategorie „Stille Helden“ bekommen.
Echte Anteilnahme
Leines und seine Mitstreiter haben mit der Hazienda Arche Noah einen Ort geschaffen, in dem schwerstkranke Kinder auch in der letzten Zeit ihres Lebens Kraft tanken können. „Und ebenso ihre Angehörigen“, betont Leines.
Auf der in einem Waldstück in Forst gelegenen Hazienda werden die Betroffenen nicht von Mitleid erdrückt, sie erfahren echte Anteilnahme. „Das Tor am Eingang ist ein Symbol. Falsches Mitleid soll draußen bleiben.“
In Europa einziartiges „Traummobil“
Drinnen gibt es ein Baumhaus, eine Wasserburg – beides rollstuhlgerecht –, ein Eltern-Kind-Appartement sowie verschiedene behinderten- und krankengerechte Spielgelegenheiten.
Und das „Traummobil“ inklusive Hebebühne, mit dem Kinder und Eltern noch einmal auf Reisen gehen können – einzigartig in Europa. Hervorgegangen ist das Hazienda-Projekt aus dem ältesten Aachener Motorradclub, den Street Angels.
Glaube an Gott
„Angefangen hat unsere Engagement mit punktuellen Aktionen“, erinnert sich Leines. „Wir haben Asylantenspeisungen veranstaltet und sind als Zauberer oder Clowns ins Kinderhospiz und auf die Kinderkrebsstation gegangen.“ 1993 wurde das deutschlandweit erste „Rocker gegen Rechts“-Festival gefeiert, 2003 schließlich installierten die Rocker die Pilotanlage zur Hazienda Arche Noah.
Bei seinem Wandel vom Saulus – Leines ist mehrmals wegen Körperverletzung vorbestraft und war dreimal im Knast – zum Paulus hat Leines durch seinen Glauben Kraft gefunden. „Ich glaube an Gott – und weiß, dass es den Teufel gibt. Jeder Mensch hat beides in sich und muss sich entscheiden.“
Nächstes Projekt: „Centro de los Angeles“ in Spanien
Leines hat sich entschieden, hat der Gewalt abgeschworen. „Seit 20 Jahren habe ich keinem mehr auf’s Maul gehauen. Mit derselben Energie, mit der ich mich damals geprügelt habe, verteidige ich jetzt kranke Kinder und deren Angehörige.“ Und das nächste Projekt ist in schon in Arbeit.
Das „Centro de los Angeles“ will Leines wieder mit der Hilfe der Aachener und seiner prominenten Freunde realisieren, etwa Thomas Gottschalk, Peter Maffay und Carmen Nebel. „Wir wollen in Spanien einen Ort schaffen, wo Familien unter ärztlicher Aufsicht zur Ruhe kommen und entspannen können – vielleicht zum letzten Mal.“ Und wie man Leines kennt, wird er auch das schaffen.\
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