Bereits zum dritten Mal liest der Verleger Wolfgang Franßen dort ausgewählte Passagen aus den aktuellen Romanen seines Polar-Verlags, gibt Einblicke in die Verlegerwelt, jede Menge Hintergrundwissen über die Autoren und natürlich über die Welt des Roman noir. Detlef Kellermann – Illustrator der bisher erschienenen Cover – spricht über Motivfindung und Wiedererkennungswerte. Ein Abend mit Helden, die keine sind, Krimis, die kritisch sein dürfen und Wein, der blutiger nicht sein könnte.
Den Aachener Wolfgang Franßen zog es vor drei Jahren nach Hamburg. Nicht, weil er Aachen nicht mehr leiden konnte. Nein, nur bietet sich Hamburg als Stadt für ihn als Verleger einfach besser an. Mit Aachen verbunden ist er dennoch irgendwie. Im Oktober hat er hier mal wieder ein „Zwischenspiel“. Zusammen mit Detlef Kellermann. Der Aachener Künstler gab nämlich Franßens Roman noir-Reihe ein Gesicht.
Kellermann und Franßen kennen sich schon lange. Als das Theater K noch in der Rudolfstraße war, haben sie bereits zusammen gearbeitet. Damals war Franßen noch als Theaterregisseur unterwegs. Detlef Kellermann hat die Plakate für seine Inszenierungen illustriert. Und das über einen langen Zeitraum. „Es müssen so um die zehn Stücke gewesen sein, bei denen wir miteinander gearbeitet haben“, erinnert sich Franßen. Doch nach mehr als 20 Jahren am Theater hatte er das Gefühl, bereits alles einmal erzählt oder inszeniert zu haben. Es war Zeit für etwas Neues.
Und so verschrieb er sich ganz seiner alten Liebe, dem Kriminalroman. Erst als Kritiker, dann als Verleger. „Es gibt einfach so viele tolle Bücher, die unbedingt auf den Markt gebracht werden müssen“, begründet er sein Interesse, unbekannten Autoren, die gute Geschichten erzählen, eine Plattform zu bieten.
Ein Jahr hat er nach einer Nische in der Kriminalliteratur gesucht. Denn ihm war klar: Verlage gibt es genug. Bücher gibt es genug. Krimis sowieso. Gestartet ist er deshalb mit seinem Polar-Verlag erst, als in seinen Augen alles stimmte.
Die Idee
Franßen verlegt düstere, sozialkritische Krimis, an deren Ende definitiv kein Happy End stehen sollte. Der Roman noir ist eine Untergattung des französischen Kriminalromans. In Frankreich wird diese Spielart übrigens „polar“ genannt.
Prinzipiell ist der Roman immer ähnlich aufgebaut: ein äußerst zynischer Detektiv, eher einsamer Wolf als vor Kraft strotzender Held, kämpft sich durch eine korrupte Welt. Bei der Wahl seiner Ermittlungshilfen ist er nicht zimperlich. Er ist desillusioniert, und hat den Glauben an den Sieg der Gerechtigkeit längst verloren. Folglich gibt es auch kein Happy End.
„Für mich ist der Krimi noir eine Liebesgeschichte an das Leben“, befindet Franßen. Und Kellermann pflichtet ihm bei: Im Krimi sei in letzter Zeit alles viel zu übertrieben. Hauptsache blutiger, brutaler, absurder. Eine Eskalation der Abscheulichkeiten. „Was da manch einem Krimihelden heutzutage passiert, hätte ihn schon mindestens zehnmal umbringen müssen.“ Da kam eine Reihe mit atmosphärischen Krimis und einer Portion Gesellschaftskritik wie gerufen.
Und auch der Auftritt der Bücher sollte zur Stimmung passen. Sie brauchen folglich einen einheitlichen, speziellen Look. Ein Gesicht. Und zwar für die ganze Reihe. Die Optik sollte ähnlich sein, aber nie gleich.
Erfolglosigkeit wurde ihnen zu Beginn mit solchen Covern prognostiziert. Wie soll so ein ruhiger Titel neben den ganzen blutig-glänzenden, messerwetzenden, grell kreischenden Krimicovern auf einem Auslagetisch in einer Buchhandlung bestehen?, fragten die Skeptiker. Doch auch das schreckte Franßen nicht ab. „Der Titel sollte nichts Plakatives haben. Ich wollte für diese Genre einen Reincharakter. Und das hat Detlef mit seinen Illustrationen geschafft.“
So entstand es
„Das erste Motiv entstand völlig spontan. Wolfgang erzählte mir vom Inhalt des Buches und ich ging hoch ins Atelier, hatte schon eine ganz bestimmte Idee im Kopf. Und kurze Zeit später war die Idee des Covers fertig“, beschreibt Kellermann seinen ersten Entwurf vor knapp zwei Jahren. „Doch dann fing die Arbeit erst an.“ Schließlich sollten bestimmte Elemente immer wieder auftauchen, wie etwa der blutrote Streifen, die versetzte Schrift, die Kombination aus Illustration und Hintergrund.
Wenn es an die Cover eines neuen Romans geht, liest Kellermann vorher einen drei bis vier Seiten langen Essay und versucht dadurch die Stimmung nachzufühlen. Dann legt er Franßen seine Ideen vor. Und bisher war immer genau das dabei, was Franßen sich für seinen Roman wünschte. Auf die Frage, ob das ein glücklicher Zufall sei oder perfekte Auftragsarbeit, antworten beide: „So war das schon immer. Wir können einfach gut miteinander.“
Doch anfangs sind die Titel bei den Lesern nicht gut angekommen, erinnern sich die beiden. „Die Leute haben das Konzept zunächst nicht verstanden.“ Das ist aber mittlerweile zum Glück nicht mehr so. Kunden kommen sogar gezielt in Kellermanns Atelier, um nachzufragen, ob und wann der nächste Krimi noir erscheint. Durch die Kombi aus Cover und Inhalt ist die Reihe, nicht nur in Aachen, zum Sammlerstück geworden.
Jetzt wird gelesen
Doch nicht nur die Literaturgattung und die Illustrationen gehören zum Konzept. Auch die Lesungen sind fester Bestandteil.
Ein Verlag müsse in Zukunft mehr bieten als ein gutes Buch, so Franßen. Und auch Kellermann weiß, dass die digitalen Medien die analoge Kunst zu überrollen versuchen. Events müssen um eine Sache gebaut werden, um das Publikum, den Kunden oder Leser zu interessieren. Nur so kann ein Stammpublikum aufgebaut werden.
Während der Lesung unterhalten die beiden sich offen. Über den Inhalt der Bücher, Verlagsarbeit in der digitalen Zeit, die Illustration, die Autorenauswahl. Franzen liest aus den Büchern – dieses Mal aus Moodys „Der Spion, der Jazz hörte“ und aus Hawkins „Kojoten“ – und erzählt vom Buchmachen. Kellermann spricht über die Cover und die Idee dahinter. Generell soll es – und das war es in der Vergangenheit bereits zweimal – eine nette Plauderrunde mit gutem Wein werden. Und keine Trauerveranstaltung.
Franßen liest übrigens selber, da die Autoren nicht aus dem deutschsprachigen Raum kommen. Und irgendwie erscheint er immer mehr wie ein Tausendsassa. Denn eine tolle Lesestimme hat er auch noch. Ob er nicht auch noch Synchronsprecher werden wolle? „Nein, das nicht. Aber in der Tat habe ich früher oder später vor, die Reihe im Studio einzulesen …“
In diesem Jahr erscheinen noch drei weitere Bücher der Reihe. Neun sind bereits veröffentlicht. Für nächstes Jahr sind weitere geplant. Ideen hat Kellermann genug. Und Franßen hat noch einige veröffentlichungswürdige Manuskripte in der Schublade. Na, das passt ja. Hier ist auch noch kein Ende in Sicht. Egal ob happy oder nicht.
Der Eintrittspreis beträgt 12 Euro, Wein inklusive.
Eine telefonische Anmeldung ist erforderlich.
Atelier Kellermann: 0241-538268
\ von Kira Wirtz
WEITEREMPFEHLEN