Von Richard Mariaux
Fast unbemerkt, unter dem Radar der allermeisten Vielbuchleser gilt es, die „Büchergilde“ zu entdecken. Älteren Lesern fällt beim Stichwort „Buchklub“ sicherlich der „Club Bertelsmann“ ein, der mit seinen flächendeckenden Filialen in Deutschland von 1954 bis 2015 existierte, aber dann für den Medienkonzern als Geschäftsmodell nicht mehr attraktiv genug war.
Die Grundidee der „Büchergilde“ war allerdings kein kommerziell betriebenes Verkaufsmodell wie bei Bertelsmann, sondern das Vorhaben des „Bildungsverbands der deutschen Buchdrucker“ eine gewerkschaftliche Buchgemeinschaft zu gründen, um den unterprivilegierten Arbeitern in der Weimarer Republik den Zugang zur Bildung zu erleichtern. Parallel wurde stets großer Wert auf die Ausstattung der Bücher gelegt – die äußere Gestaltung sollte dem Inhalt des jeweiligen Buches entsprechen. Bis zur Machtergreifung der Nazis 1933 und dem vorläufigen Ende hatte die „Büchergilde“ 174 Bücher herausgebracht, unter anderem von Oskar Maria Graf, B. Traven, Jack London, Upton Sinclair, Arnold Zweig – in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren für 850.000 Leser. 1947 wurde die „Büchergilde Gutenberg“ unter dem Dach der Gewerkschaftsbünde der drei westlichen Besatzungszonen in Frankfurt neu gegründet. In den für Buchklubs schwierigen Zeiten der digitalen Revolution trennt sich die „Büchergilde“ 1998 von den Gewerkschaften und die damalige Geschäftsführung übernimmt die Firma um in neuen Märkten eine weitere Unabhängigkeit von Verlag und Programm zu sichern.
Das Prinzip „Büchergilde“
2018 hat die „Büchergilde“ als eingetragene Verlagsgenossenschaft circa 60.000 Buchgemeinschaftsmitglieder in Deutschland und 2.300 in der Schweiz. Ein hochwertiges Angebot mit liebevoll ausgestatteten Sondereditionen als Lizenzausgaben sind in 1.200 Titeln verfügbar. Eine Mitgliedschaft verpflichtet im ersten Jahr zur Abnahme von jeweils einem Titel (welches auch ein Kinder-, Sachbuch, eine Hör- oder Musik-CD et cetera sein kann) pro Quartal, im zweiten Jahr ist eine Kündigung jederzeit möglich.
In Aachen sind exklusiv nur die Backhausbuchhandlungen in Burtscheid und der Jakobstraße Partner der „Büchergilde“. Eine eigene Buchwand demonstriert die Vielfalt der im Quartal wechselnden Titel, deren grafische Gestaltung vielfach mit Preisen bedacht wurden. Aktuell im Sortiment sind zum Beispiel die neuen Bestseller von T.C. Boyle, Elena Ferrante, Daniela Krien, Dörte Hansen, Sas?a Stanis?ic? und Julian Barnes oder Sachbücher zu Fontane, da Vinci oder dem Jahr der Frau 1919.
Der „Büchergilde“-Abend
Einmal im Quartal findet der „Büchergilde“-Abend statt. Bei Käse und Wein stellen BuchhändlerInnen und bücher-affine Menschen ihre aktuellen Lieblingstitel vor. Rund 60 Menschen sitzen dicht gedrängt im Raum und hören sich kurze Buchausschnitte mit anschließendem Resumee der Vorlesenden an. Als erstmaliger Besucher bemerkt man am regen Austausch der einzelnen Gäste in der Pause untereinander, dass man hier nicht zum ersten Male zusammentrifft und sich miteinander austauscht. Im Publikum sind auch Hanne und Janila, 20, beide studieren Maschinenbau an der RWTH und sind vor kurzem der „Büchergilde“ beigetreten. „Ich habe als Jugendliche immer diese typische Jugendliteratur gelesen und irgendwann bin ich da raus gewachsen und wusste nicht mehr, was mir gefällt,” sagt Janila auf meine Frage, wie sie zur „Büchergilde“ gekommen ist. Und Hanne ergänzt: „Ich lese halt sehr gerne und hier bekomme ich immer wieder neue Inspirationen und die Bücher sind wirklich schön gestaltet. Und das hat mich, glaube ich, letztlich überzeugt der Büchergilde beizutreten.“ „Ich finde auch die Sachbücher der „Büchergilde“ toll. Ich hatte im letzten Quartal sogar ein Buch aus dem Maschinenbausektor gefunden,“ ergänzt Janila schmunzelnd. Martin Schwoll von Backhaus hebt an dem Abend auch nochmals die Möglichkeit einer finanziellen Teilhaberschaft in der Genossenschaft nach Vorbild der „taz“ vor. Denn die „Büchergilde“ muss weiter wachsen, um ihrem Auftrag auch in nächster Zukunft voll und ganz gerecht zu werden. \
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