Anne (Emmanuelle Riva) und Georges (Jean-Louis Trintignant) haben ein langes und erfülltes Leben miteinander verbracht. Ihre Tochter (Isabelle Huppert) lebt im Ausland und ist beruflich viel unterwegs. Als Anne eines Tages einen Schlaganfall erleidet, wird Georges zu ihrem aufopferungsvollen Pfleger, obwohl sie körperlich immer mehr abbaut. Als Zuschauer ist man schon in den ersten Einstellungen fasziniert von der Harmonie und Liebe, die die Beziehung der Protagonisten nach all den Jahren des Zusammenseins noch immer zu bestimmen scheint. Umso grausamer ist dann der Einschnitt, der das lebenslange Glück vor eine Bewährungsprobe stellt. Anne ist zunächst rechtsseitig gelähmt, schließlich bettlägerig und baut auch geistig immer mehr ab. Georges bleibt über all die Zeit unverrückbar an ihrer Seite, weigert sich beharrlich, seine Frau ins Krankenhaus oder in ein Pflegeheim einzuliefern und geht dabei selbst zusehends an seine körperlichen Grenzen.
Manch einer dürfte eine ähnliche Leidensgeschichte aus dem eigenen Familien- oder Bekanntenkreis kennen, denn die Menschen werden im 21. Jahrhundert älter als je zuvor. Die Intensität und der hohe Authentizitätsgrad, mit dem Michael Haneke („Das weiße Band“) ein solches Schicksal hier auf die Leinwand gebannt hat, sucht freilich ihresgleichen. Wie gewohnt auf ein absolutes Minimum reduziert, wird der Zuschauer Zeuge, wie der Filmemacher akribisch den Alltag in einer solch emotionalen Dauerstresssituation schildert. Schlichtweg phänomenal ist dabei Emmanuelle Riva, die auf geradezu erschreckend glaubwürdige Weise eine Schlaganfallpatientin spielt, die im Laufe der Spielzeit zu einem Schatten ihrer selbst wird. Aufgrund der emotionalen Sprengkraft des Films sei, genau wie beim vergleichbaren Werk „Halt auf freier Strecke“, im Vorfeld davor gewarnt, dass die Geschichte manchen Zuschauer stark aufwühlen wird. ///
Frank Brenner
„Liebe“
F/D/A 2012 // R: Michael Haneke
Start: 20.9.
Bewertung der redaktion
WEITEREMPFEHLEN