Von Peter Hoch
Das Reittalent hat Brady Blackburn von seinem Vater mit in die Wiege gelegt bekommen, der früher selbst Rodeos bestritt, nach dem Tod seiner Frau aber spielsüchtig wurde. Auch Brady galt als aufsteigender Stern in dieser uramerikanischen Sportart, doch die Träume des 21-Jährigen zerplatzten jäh, als er nach einem Sturz mit einer Stahlplatte im Kopf aus dem Koma erwachte. Reiten, geschweige denn an einem Rodeo teilnehmen, darf er nie wieder.
Selbst ein leichter neuer Unfall könnte tödlich sein oder zumindest zu einer schweren Behinderung führen, wie sie sein Kumpel und Ex-Kollege Lane Scott erlitt, der nun fast vollständig gelähmt im Rollstuhl sitzt. Brady kümmert sich bei seinen Besuchen rührend um ihn, ebenso wie zu Hause um seine geistig behinderte Schwester Lilly.
Mit seinem eigenen Schicksal hadert er aber massiv, obwohl er neben einem Job im Supermarkt zumindest als Pferdeflüsterer Erfolg hat. Denn in einer Welt voller Männlichkeitsgebaren bedeutet das, was Brady widerfahren ist, beinahe dasselbe wie Impotenz.
Den Hintergrund zu Bradys persönlichem Schicksal bilden der Alltag und die hohe Arbeitslosigkeit im Pine Ridge Reservat, einem bettelarmen Indianerreservat, in dem Männer kaum älter als 50 werden und dessen Probleme symptomatisch für die anderer Ureinwohner-Reservate in den USA stehen. Die aus China stammende Regisseurin Chloé Zhao inszenierte ihr beinahe dokumentarisch anmutendes, stilles Drama dort fast ausschließlich mit Schauspielerlaien, die sie schon bei den Dreharbeiten zu ihrem Debütwerk „Songs My Brothers Taught Me“ kennengelernt hatte und sich nun quasi selbst verkörpern. Bei Clint Eastwoods Zugterrordrama „15:17 to Paris“ ging eine solche Herangehensweise zuletzt ziemlich daneben, in „The Rider“ funktioniert sie aber ganz wunderbar.
Insbesondere Brady-Darsteller Brady Jandreau wirkt völlig natürlich und ungekünstelt, wenn er vor der Kamera und den beeindruckend eingefangenen Landschaften South Dakotas noch einmal den Lebensabschnitt durchmacht, dessen Verarbeitung ihn vor erst zwei Jahren jede Menge Kraft gekostet hat.
Ein Pferd hatte ihn abgeworfen und war auf seinen Kopf getreten – das, was seinem Film-Ich widerfahren ist, hat Jandreau also wirklich selbst erlebt. Das körperliche, vor allem aber das seelische Leid ist ihm stets im Gesicht abzulesen, während er die Zuschauer an dessen Bewältigung schmerzhaft, zuletzt aber auch in Ansätzen hoffnungsvoll teilhaben lässt.
Bewertung der redaktion
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