Von Peter Hoch
Frank Anthony Vallelonga (Viggo Mortensen), der von allen nur „Tony Lip“ genannt wird und italienische Wurzeln hat, verdient seine Brötchen 1962 als Rausschmeißer im legendären New Yorker „Copacabana“. Als der Nachtclub wegen Renovierung vorübergehend schließt, geht ihm das Geld aus, das er für sich und seine Familie zum Leben braucht. Bei der Jobsuche wird das ungebildete Raubein an eine Konzertagentur vermittelt, die einen Chauffeur für den Jazz- und Klassikpianisten Dr. Don Shirley (Mahershala Ali, Oscar für „Moonlight“) benötigt.
Im Vorstellungsgespräch erteilt Tony dem Klaviervirtuosen zunächst eine Absage, vor allem, weil er auf eine üppigere Bezahlung spekuliert, teilweise aber wohl auch, weil Shirley Afroamerikaner ist und exzentrisch wirkt. Als das höhere Gehalt gewährt wird, kann er jedoch nicht anders und begibt sich mit ihm auf die achtwöchige Konzertreise, die sie ausgerechnet in den tiefsten Süden der USA führt, wo Schwarze immer noch massiv diskriminiert werden.
Das titelgebende „Green Book“, das Tony bei sich hat, wurde bis 1966 veröffentlicht und beinhaltete Adressen von Locations, in denen Schwarze sicher oder zumindest legal verkehren durften. Auch die Protagonisten des Films, ihre Freundschaft und ihre Erlebnisse gab es wirklich: Tatsächlich wollte man den renommierten Musiker Don Shirley in den feinen Gesellschaften der Südstaaten spielen hören. Essen, schlafen und zur Toilette gehen musste selbst er aber getrennt von den Weißen. Tony Lip wurde später übrigens Restaurantchef im „Copacabana“ und war als Mafiaboss in der Serie „Die Sopranos“ zu sehen, bevor er Anfang 2013 nur drei Monate vor Don Shirley starb.
Der sonst auf Bad-Taste-Komödien mit Herz wie „Verrückt nach Mary“ abonnierte Regisseur Peter Farrelly schrieb das Drehbuch zu „Green Book“ mit Lips Sohn Nick Vallelonga. Gemeinsam liefern sie einen absolut klassischen und wenig überraschenden, aber dennoch höchst unterhaltsamen Wohlfühlfilm ab, der sogar die Golden-Globe-Jury dreifach überzeugen konnte. Thematisch ist die historische Biopic-Tragikomödie nach Erfolgen von Werken wie „12 Years a Slave“ und „Moonlight“ fast ein paar Jahre zu spät dran. Es käme trotz einiger Querelen in der immer verspannteren US-Öffentlichkeit (siehe rechts) aber nicht völlig unerwartet, wenn am 25. Februar auch die Oscar-Academy dem Crowdpleaser mit seinem umfassenden Versöhnungsplädoyer in verwirrenden, hasserfüllten Zeiten wie diesen einige Preise zukommen ließe – ordentliche fünf Mal wurde der Film immerhin nominiert. Sie könnte es schlechter treffen. \
„Green Book – Eine besondere Freundschaft“
USA 2018 // R: Peter Farrelly
Start: 31.1. | 131 Minuten | FSK 6
In der Kritik
In den USA steuert „Green Book“ durch unruhiges mediales Gewässer. So wurden uralter Entblößungs-Unfug von Peter Farrelly und ein unüberlegter 9/11-Tweet von Nick Vallelonga ausgegraben, während Viggo Mortensen bei einer Rassismus-Debatte für das bloße Erwähnen des Tabuworts „Neger“ gescholten wurde und der gesamte Film politisch Überkorrekten nicht schwarz genug ist. Ob so trotz dessen eindeutiger Botschaft ein aufgeklärtes Miteinander beflügelt wird? \
Bewertung der redaktion
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