Beim Theater sind Sie seit …
… den frühen 1980ern. Ich habe tatsächlich hier am Theater Aachen angefangen. Aber auch in noch so stürmischen Zeiten habe ich seither so etwas wie diesen Corona-Theater-Supergau tatsächlich noch nicht erlebt. Da sehnt man sich absurderweise in die Zeit »normaler« Grippewellen zurück, während derer wir fast jeden Tag durch krankheitsbedingte Umbesetzungen in Schnappatmung versetzt wurden, dann am Abend in den meisten Fällen dann aber doch – wie es im Theater heißt – »der Lappen« hochging. Jetzt herrscht gespenstische Ruhe. Wobei wir DramaturgInnen eigentlich noch unserem normalen Theateralltag im Home-Office nachgehen können, bis auf die Probenbesuche natürlich, das fehlt, vor allen Dingen fehlt das den SpielerInnen, SängerInnen und MusikerInnen, die scharren natürlich mit den Hufen. Sie möchten wieder auf die Bühne.
Wie sieht momentan ein typischer Tagesablauf aus?
Bis Mittag ausschlafen, am Nachmittag relaxen und am Abend Netflix gucken. Nein, natürlich nicht, auch wenn viele denken, dass es im Theater jetzt nichts zu tun gibt. Mein Tag ist richtig voll: Sehr früh aufstehen, um erst mal zwei Haushalte in Schwung zu bringen. Ab circa 9 Uhr/9.30 Uhr Homeoffice: Momentan arbeite ich mit dem Regisseur Dominik Breuer an einem Stück, das eigentlich jetzt Premiere gehabt hätte, jetzt eben später herauskommen wird: „LOKAL EUROPA“. Das ist ein komplexer Planspiel-Entwurf, bei dem die Zuschauer mitentscheiden und es immer mehrere Spielverläufe gibt, je nach Entscheidung. Da wird es dann eine Online-Version für unsere Zuschauer geben, die ist sehr tricky und wird sicherlich sehr viel Spaß machen. Zudem gilt es natürlich viele organisatorische Fragen zur jetzigen und nächsten Spielzeit zu klären und entscheiden (und bei neuer Sachlage wieder zu verwerfen und neu zu denken), mit unseren GastkünstlerInnen zu telefonieren, gemeinsam mit den Ensembles und der Dramaturgie Formate zu entwickeln, die uns direkt mit unserem Aachener Publikum in Kontakt bringen (auf unserer Homepage ist jetzt zu lesen, wie das funktioniert). Es gibt wie momentan in jedem guten Office jede Menge Video-Konferenzen innerhalb der Leitung, mit dem Ensemble, Mailverkehr mit Verlagen, Telefonate mit KooperationspartnerInnen und und und … Nicht zu vergessen im Corona-Tagesablauf: Zeit für die Lieblingsmenschen in meinen zwei Haushalten haben, zu meinem Leidwesen: kochen müssen (das macht man ja jetzt, weil man tatsächlich mal zu Hause ist und isst), Frischluftzufuhr, Yoga per Video-Schalte mit unserer Theaterpädagogin Katrin Eickolt. Ein paar Freizeitbeschäftigungen lassen sich ja trotz Corona wirklich sehr gut durchführen.
Was fasziniert am Theater?
Ich sage jetzt nicht, was man an dieser Stelle so oft hört: der Live-Charakter; das ist im Augenblick etwas albern. Ich finde es speziell in meinem Beruf als Dramaturgin eigentlich am spannendsten, dass das Arbeitsfeld so enorm vielfältig ist, jeder Tag ist komplett anders und in jeder neuen Probenphase beschäftigt man sich intensiv mit neuen spannenden Themen. Das ist zugegeben auch anstrengend, aber trotz der »ungewöhnlichen« Arbeitsbedingungen am Theater (fast jeden Abend – auch und gerade am Wochenende – muss ja besagter Lappen hochgehen) entwickelt man, wenn man sich einmal mit dem Theatervirus angesteckt hat, absolut keine Antikörper…
Wenn Sie nicht am Theater wären, wo wären Sie dann?
Totale Klischees: Wahrscheinlich irgendwo an einem der schöneren Orte an der italienischen Küste (ich habe drei Jahre in Italien gelebt), wo ich gelernt hätte, Möbel zu bauen (ich stand mal kurz vor einer Schreinerlehre). Oder als Biologin im Umweltschutz (ich habe vor dem Befall mit dem Theatervirus zwei Semester Diplom-Biologie mit Schwerpunkt Botanik studiert). Das wären meine Optionen, die ich immer wieder innerlich herunterlamentiere, wenn mir das Theater um das Theater auf die Nerven geht: hättest du doch bloß und wärst du doch nur….
Welches ist Ihr wichtigstes Arbeitsutensil?
Neben Herz/Verstand tatsächlich mein Mini-Tablet. Da ist – abgesehen von Warm- und Kaltgetränken und Schokolade – alles drin, was ich für die Arbeit brauche: Kalender, Stücktexte, Textverarbeitungsprogramm, Internet, Musik und Kreativ-Notizen.
Sie haben einen Theaterwunsch frei – der wäre?
Dass alle freien KünstlerInnen in diesen Zeiten ihre Existenz sichern können, also bitte Hilfsfonds unterstützen. Und dass das Theater weiter dazu beiträgt, dass wir auch in den Post-Corona-Zeiten die richtigen Themen auf der Agenda haben (sprich bei allen wirtschaftlichen Problemstellungen auch die Nachhaltigkeit weiter im Blick haben). Und dass wir aus Corona ein sehr altertümliches Wort in den täglichen Sprachgebrauch mitnehmen: Demut. – Das war jetzt allerdings schon mehr als ein Wunsch …, egal, alles wichtig. \
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