Sie sind eine der kulturellen Säulen in Aachen: Die Amateurtheatergruppen, die Jahr für Jahr mit ihren Produktionen die Aachener Bühnen erobern. Doch in der Corona-Pandemie geraten sie in Vergessenheit: Nicht nur abgesagte Aufführungen und unklare Regelungen, wann es denn wieder losgehen kann, machen den Gruppen zu schaffen, auch die Probensituation ist schwierig.
Beim Theater Brand steht das Meiste seit vergangenem Frühjahr still. Von den geplanten Produktionen wurden die meisten abgesagt, zahlreiche Aufführungen fielen aus. Vor dem ersten Lockdown schaffte es die Gaunerkomödie „Zwei wie Bonnie und Clyde“ von Tom Müller und Sabine Misiorny auf die Bühne. Doch die letzten geplanten Aufführungen fielen bereits aus. Der Verein plante eine Wiederaufnahme des Stückes im Herbst. Im Oktober hob sich der Vorhang vor wenigen Zuschauern zweimal , dann hieß es wieder: Licht aus, Lockdown. Ein schwerer Schlag für die Brander.
Ebenso geht es der studentischen Theatergruppe Actor’s Nausea. Seit 2001 spielt die Gruppe regelmäßig Stücke in englischer Originalfassung. Der Verein ist lange nicht so groß wie das Brander Theater: „An unserer aktuellen Produktion sind zehn MitgliederInnen beteiligt“, sagt René Glebke, Vorstandsmitglied.
Geplant war die nächste Produktion, eine Komödie mit dem Titel „The Brothers Grimm Spectaculathon“ von Don Zolidis, bereits für den Juli vergangenen Jahres. Nachdem die Möglichkeit für Vereine, sich wieder zu treffen, immer weiter verschoben wurde, entschieden sich die Mitglieder:innen schweren Herzens, die geplante Aufführung zu verschieben. „Wir hatten aber noch Glück“, sagt Glebke. Denn bis zur Absage hatte der Verein lediglich die Textbücher aus den USA bestellt. Für die Bühne war noch nichts angeschafft worden und der Kulturbetrieb der Stadt Aachen entließ die Gruppe aus dem bereits unterschriebenen Vertrag. Dennoch bleiben die laufenden Kosten wie die Miete für den Theater-Fundus. Das knabbert ordentlich an den Reserven.
Darsteller lernen bereits wieder Text
Die Brander sind bisher gut durch die Krise gekommen – auch Dank des Förderprogramms der Bundesregierung „Neustart Kultur“ und anderen Unterstützern. Im letzten Jahr hat der Verein selbständig große Investitionen in die Bühne und dem Bühnenlager getätigt. Jetzt hoffen sie, dass es bald wieder losgeht. Untätig geblieben ist man nicht: „Wir planen eine Open-Air-Aufführung im Juli oder August. Wir haben die Rollen verteilt, die Darsteller lernen jetzt schon ihren Text“, sagt Wilma Gier, 1. Vorsitzende des Vereins.
Auch bei Actor’s Nausea versuchen die DarstellerInnen, die Zwangspause zu kompensieren. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder via Zoom, machen sogenannte Leseproben. Sie hoffen, dass sich die Lage deutlich entspannt, denn selbst wenn das Proben wieder erlaubt sein sollte, stehen sie weiter vor großen Problemen. Die Gruppe verfügt nicht über einen eigenen Probenraum, sondern nutzte bisher Räumlichkeiten der RWTH. Doch seit vergangenem Frühjahr stehen diese Räume nicht mehr zur Verfügung. Im Spätsommer und Herbst des vergangenen Jahres war die Gruppe auf Privaträume und den Freizeitraum einer Jugendgruppe ausgewichen. Doch diese Option gibt es nicht mehr.
Es ist gut möglich, dass das Stück erneut verschoben werden muss. Ein Problem, denn die studentisch geprägte Gruppe weist seit jeher eine hohe Fluktuation bei den MitgliederInnen auf: „Es werden immer wieder Studierende fertig, die dann aus der Stadt wegziehen oder ins Berufsleben starten. Viele verlassen dann die Gruppe“, erläutert Glebke.
Das haben sie auch im Lockdown erlebt: „Ein Darsteller ist im Herbst nach Stuttgart umgezogen. Seine Rollen müssen wir jetzt neu besetzen.“ Und in der Pandemie ist es schwierig, neue MitgliederInnen aus dem studentischen Umfeld zu finden. „Wir besetzen natürlich eine Nische in der Aachener Theaterlandschaft. Daher ist auch unser Bekantheitsgrad nicht so hoch.“
Nachwuchssorgen müssen sich die Brander derweil nicht machen: „Wir haben auch in der Pandemie viele Anfragen von Jugendlichen, die gerne mitmachen möchten“, sagt Gier. Daher rechnet sie auch nicht mit dauerhaften Problemen für die Amateurtheaterszene in der Domstadt.
„Die Schauspieler sind heiß aufs Spielen und das Publikum wird sicherlich zurückkommen, sobald die Menschen sich im Theater sicher fühlen“, sagt Gier. Doch bis dahin kann es noch ein weiter Weg sein… \eon
theater-brand.de
actorsnausea.de
WEITEREMPFEHLEN