Ist digitales Theater ein Ersatz zu analogem Theater?
Auf keinen Fall. Digitales Theater kann nicht die Bühne ersetzen, weder für die Darsteller, noch für das Publikum. Es ist aber auch nicht das Ziel von unseren digitalen Projekten, analoges Theater zu ersetzen. Momentan ist es natürlich so, dass wir – wenn schon nicht live, dann wenigstens digital – sichtbar bleiben und den Kontakt mit unserem Publikum halten möchten. Aber eigentlich ist das Thema Digitalität schon länger als ein ganz eigener selbstständiger Theaterbereich auf der Agenda. Das eigentlich Interessante und auch Zukunftsträchtige des Digitalen liegt in der weiterführenden Erfindung von spannenden ästhetischen Hybridformen.
Das müssen Sie mir erklären…
Nehmen wir zum Beispiel unser digitale Version vom Stück „Die Lage“, das in der Kammer auf dem Spielplan stand: Da wurde jetzt nicht einfach nur eine Theaterinszenierung abgefilmt, sondern schon in der Planung ein anderes Konzept angedacht: Theateraufnahmen werden gekoppelt mit assoziativen Außenaufnahmen, in Aachen gedreht zum Stück-Inhalt „Wohnsituation in Städten“. Oder der „Sommernachtstraum“: da hatten die Proben schon begonnen, mussten dann aber coronabedingt abgebrochen werden. Während der Proben war das Thema „Liebe“ natürlich sehr präsent. Daraus hat sich ein neues Format entwickelt. Wir filmen nicht einfach die Inszenierung des „Sommernachtstraums“ ab – auf die darf man in der kommenden Spielzeit live gespannt sein –, sondern es entsteht etwas ganz Neues.
Und das sieht dann wie aus?
Die Schauspieler haben mit dem Regisseur Roland Hüve neue Figuren erfunden und assoziative Texte zu verschiedenen Auffassungen von Liebe geschrieben. Statt dass die Liebespaare wie im „Sommernachtstraum“ durch den Wald irren, irren sie jetzt durch das Dickicht der modernen digitalen Liebes-Welt. Genannt haben wir die Reihe „Lockdown Love – wer liebt, träumt.“ Es ist also, wenn man so will, ein künstlerisches Spin-off-Projekt, das wir nun aber ganz bewusst nicht in einem Filmsetting, sondern auf unserer großen Bühne als Theater gekennzeichnet.
Es ist also für Sie ein neuer Forschungs-Kanal?
Genau. Und noch etwas. Hier entsteht die besondere Gelegenheit, die Eigenkreativität und die Phantasie der Darsteller zum Tragen zu bringen. Da kamen ganz, ganz unterschiedliche tolle Vorschläge. Und so sind eben auch sehr unterschiedliche digitale Formate entstanden.
So auch das Hörspiel zu „Amsterdam“?
Ja, da hat das Team schon bei den Theaterproben gemerkt, wie rythmisch die Sprache des Stückes ist und dass es sich perfekt als Hörspiel anbieten würde. Und für die Hörspiel-Umsetzung ist dann wieder ein anderes Vorgehen als für Theaterproben nötig: Es wurden coronasichere Tonkabinen gebaut, die so angeordnet waren, dass sich die Spieler sehen und aufeinander reagieren konnten.
Was bereiten Sie neben den genannten Projekten noch auf?
Unsere Schauspielerin Stefanie Rösner hat die Reihe »49 Questions« in Szene gesetzt, in der verschiedene Darsteller in ihren jeweiligen Rollen interviewt werden. Philipp Manuel Rothkopf hat ein Format mit dem Namen „Alles nur Theater“ entwickelt und beschäftigt sich darin mit der Frage: Wer bin ich als digitaler Schauspieler jetzt? Alexander Wanat greift die Produktion „All das Schöne“ als Zoom-Stream auf, und unser „Nathan“ hat sich von Jelineks „Albtraumhalde“ getrennt und wird in einer Mischung von Theaterausschnitten und Filmaufnahmen des Teams zu sehen sein. Ewa Teilmans und Irina Popova erstellen ein digitales Theaterwochenbuch, Alexander Wanat und Tommy Wiesner widmen sich unter dem Titel?„Kamelle“ Coverversionen bekannter Songs. Hinzu kommen neben dem Streamen unserer Sinfoniekonzerte, Ausschnitte aus Familien- und Krabbelkonzerten, Musikclips oder ein russischer Liederabend. Ein weiteres schönes Projekt entsteht im Mörgens-Lab. Dort wurde ein „Audiowalk“ entwickelt, der durch die Aachener Innenstadt führt. Immer entlang der Frage „Wie ist das Menschenbild in der digitalen Zeit?“.
Also Kopfhörer auf und los?
Ja, am 23. April ist Premiere. Zwölf Teilnehmer können gemeinsam spazieren gehen – schön auf Abstand, aber sie erleben doch etwas gemeinsam.
Wie streamen Sie das alles? Wird es kostenlos sein oder Bezahl- Angebote geben?
Beides. Das halten wir wie die anderen Theater auch. Einiges findet sich kostenfrei auf unserer Homepage oder auf Social-Media, für anderes braucht es ein digitales Ticket, das man online buchen kann. Manche Formate sind über einen längeren Zeitraum buchbar, bei anderen Formaten gibt es bestimmte Streamtermine. Ich persönlich finde, ein fester Termin hat einen besonderen Reiz. Es ist tatsächlich anders als Netflix gucken, es ist eine besondere Verabredung. \
theateraachen.de
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