„Dead End“ prangt am maroden Zaun. Üble Gestalten schlendern durchs Viertel, das abgewohnt und baufällig ist. Hier treibt es sich rum, das „asoziale Pack“. Das Viertel diktiert sie vor, die hoffnungslose Zukunft, die die Bewohner erwartet. Ein Stigma, das den sozialen Aufstieg untersagt. Und genau in diesem Viertel versucht Mushnik (Maico Claßen) seinen Blumenladen über Wasser zu halten. In dem arbeiten Seymour und Audrey. Seymour (Dirk Steffens) in Chucks und Hoodie, Audrey in Lederrock, Pumps und mit fettem Veilchen am Auge. Das hat sie von ihrem Freund, dem sadomasochistisch angehauchten Zahnarzt (großartig Timo Aust). Aber eine Trennung von ihm kommt für Audrey nicht infrage.
Immerhin könnte er ihr Ausweg aus dem Viertel sein. Seymour ist eigentlich viel netter, aber eben auch arm und perspektivlos.
Die Inszenierung von Maren Dupont setzt darauf, die Geschichte in die Jetzt-Zeit zu holen. Probleme und Abhängigkeiten, sozialer Verfall und der Wunsch nach Liebe und Ruhm sind immerhin zeitlos. Mit Bühnenbild und Kostüm sowie kleinen Änderungen in der Handlung schafft sie das mit Leichtigkeit. Und damit der Zuschauer auch immer genau weiß, woran er gerade ist, schickt sie drei Musen (Nina Rehn, Johanna Kuhlmann und Celina Höbel) los, die über der Geschichte schweben und für den Betrachter die Handlung einordnen und gesangsstark kommentieren. Und Gesang gibt es beim Open-Air-Stück auf der Burg Wilhelmstein in Hülle und Fülle. Und das samt vierköpfiger Live-Band: Christoph Eisenburger (Piano und Keyboards), Lea Lingen (Bass), Lukas Dahle (Schlagzeug) und Tom Schreyer (Gitarre).
Aber zurück zu Audrey und Seymour. Die beiden arbeiten im Blumenladen und wollen diesen mit aller Kraft aufrechterhalten.
Das K im Logo Mushniks hängt schon schief, die Aussicht auf Erfolg ist eigentlich nicht mehr existent. Aber da ist diese kleine außergewöhnliche Blume, die Seymour hat, die der letzte Anker in Richtung sicherer Hafen sein könnte. Nur: die kleine Blume gibt sich nicht mit Wasser zufrieden, sondern dürstet nach Blut. Und sie ist ein wahrer Publikumsmagnet, der den Laden wieder florieren lässt, Seymour und Audrey zusammenführt und so ganz nebenbei die Moral aller Beteiligten infrage stellt. Und was soll man sagen: Die Pflanze wächst, fängt an zu sprechen („Ich will Blut! Gib’s mir! Füttere mich!“), und wird über zwei Meter groß und singt mit wunderbar rauchiger Stimme. Gesungen wird die Pflanze von Mathias Boeryd, in ihr drin steckt Puppenspieler Dennis Papst. Das Publikum ist begeistert. Nicht nur von der Pflanze, dem Zusammenspiel aus Puppe und Gesang. Sondern auch von der Choreografie der Darstellenden, den Songs zwischen Rock, Blues und Ballade und dem morbiden Witz der Story. Leider ist, wenn Sie diesen Klenkes in Händen halten, das Spektakel auf Burg Wilhelmstein wieder vorbei. Im nächsten Jahr zeigt das Das Da-Theater das Rock-Musical „Frühlings Erwachen“. Am besten frühzeitig Tickets kaufen, es lohnt sich jedes Jahr wieder! \kw
dasdatheater.de
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