Das wird kein Wohlfühlabend im Theater. Das wird ein Abend zum Nachdenken, Mitdenken und nicht Wegsehen: Ein anonymes Foto, das ihn als Zwölfjährigen halbnackt zeigt, bringt den erfolgreichen Medienagenturleiter Jesko Drescher aus der Bahn. Es zwingt ihn, sich seiner verdrängten Vergangenheit zu stellen. Thomas Melles Schauspiel „Bilder von uns“ wirft einen unerbittlichen Blick auf die Auswirkungen von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Institutionen und die tiefen Narben, die solche Erlebnisse hinterlassen. Das Stück erzählt von Jesko (Stephan Weigelin) und drei weiteren ehemaligen Schülern eines Jesuitenkollegs, die alle ähnliche Erlebnisse teilen, aber unterschiedlich mit den Folgen umgehen. Jeskos Leben gerät ins Wanken, als er versucht, die Geschehnisse seiner Jugend zu rekonstruieren. In der Rolle des Jesko geht Weigelin ans Äußerste, weint, schreit, schweigt und betrügt, während er innerlich stirbt. Sein Leben und seine Ehe wird durch die Enthüllungen auf die Probe gestellt, denn seine Frau (gespielt von Cynthia Thurat) weiß nichts von der Vergangenheit. Mit kühler Distanz und emotionaler Präzision zeigt die Inszenierung, wie Verdrängung, Scham und das Schweigen über den Missbrauch das Leben der Betroffenen auch Jahrzehnte später prägen. Gut inszeniert sind die Parts, in denen die Schauspieler gleichzeitig handeln, verschiedene Positionen einnehmen. Da wird es dann auch laut. Vor allem zwischen Jesko und Malte (Felix Frenken). Während Jesko in eine Abwärtsspirale gerät, zeigt Frenken als Malte zuerst eine aufbrausende, fast aggressive Verdrängungshaltung, die alles unter den Teppich kehren will und wendet sich dann um 180 Grad. Das Bühnenbild von Florian Angerer ist funktional und minimalistisch. Zwei Projektionsflächen und Schattenbilder verdeutlichen die inneren Konflikte der Charaktere. Die Figuren bewegen sich oft in Synchronität, was die Gleichförmigkeit und Kälte ihres jetzigen Lebens als Geschäftsleute symbolisiert – ein scharfer Kontrast zu den verletzlichen Kindern, die sie einst waren.„Bilder von uns“ ist ein Stück, das das Publikum erschüttert zurücklässt. Es ist ein mutiges Statement gegen sexuellen Missbrauch und eine eindringliche Mahnung, wie wichtig es ist, solche Taten nicht zu verschweigen. Harte Kost, die sich lohnt. /kw 5., 7., 9., 10.+13.11. „Bilder von uns“ 20 Uhr, diverse Orte Städteregion www.grenzlandtheater.de
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