Klenkes Redakteurin Kira Wirtz sprach mit Regisseur Christian von Treskow und Dramaturgin Inge Zeppenfeld über Kafka, Alpträume und Buster Keaton.
Das ist Ihre erste Inszenierung am Theater Aachen, Herr von Treskow. Aber nicht Ihre erste Inszenierung nach Kafka. Würden Sie sich als Kafka-Kenner bezeichnen?
Treskow: Definitiv: nein! Kafka ist für mich ein Autor, der bei jedem Lesen neue Überraschungen bereit hält. Er und seine Werke sind so komplex, dass man kein Kenner sein kann. Und es auch nicht sein muss, um seine Texte zu lesen.
Was reizt Sie beide an Kafka und insbesondere an „Der Prozess“?
Treskow: Kafka bietet immer neue Interpretationsansätze. Aber was meiner Meinung noch wichtiger ist und leider oft vergessen wird, ist, dass Kafka einer der besten Humoristen in der deutschsprachigen Literatur ist.
Zeppenfeld: Hören die meisten Menschen „Kafka“, dann denken sie an eine düstere Welt. So ist das aber gar nicht. Kafka selbst soll sehr gelacht haben, als er Freunden aus dem „Prozess“ vorlas.
Können Sie den Inhalt des Stücks in einem Satz wiedergeben?
Treskow: Ein junger Angestellter (Josef K.) gerät ohne es zu wollen unter den Einfluss eines rätselhaften Machtapparats, der in einer Parallelwelt scheinbar staatlicher Kontrolle entzogen ist, dessen Eigenschaften er nach und nach verinnerlicht und letztendlich daran zugrunde geht.
Also ist „Der Prozess“ ein Drama?
Treskow: Es ist vielmehr ein Alptraum. Und das werden wir zeigen: Es gibt Strukturen, die sich im Traum wiederholen, Gesichter verzerren sich, man kann manches nicht dingfest machen, Figuren vermischen sich. „Der Prozess“ ist grotesk und ein Spiegelbild der Gesellschaft. Kafka steht mit seiner ganzen Zerrissenheit für den Menschentypus des 20. Jahrhunderts.
Zeppenfeld: Der moderne Mensch nimmt eine Unbehaustheit wahr für die es aber keine konkreten Anhaltspunkte, kein verantwortliches Gegenüber gibt. Es ist ein bisschen wie in den Stummfilmen mit Buster Keaton oder Charlie Chaplin. Bei Kafka wie bei Keaton oder Chaplin gibt es häufig eine Einzelfigur, die ihr Umfeld als fremd oder feindlich wahrnimmt.
Treskow: Wobei Kafka seinen Protagonisten Josef K. erst gegen Ende der Geschichte zum Opfer werden lässt. Vorher ist K. doch viel eher ein Unsympath, einer, der für seine Träume über Leichen gehen würde. Vielleicht könnte man kritisch betrachtet den Prozess auch „Untergang eines Yuppies“ nennen.
Wie sind Sie an das Stück herangegangen?
Treskow: Wir spielen natürlich nicht Wort für Wort den Roman nach. Der „Prozess“ ist für eine Dramatisierung allerdings geeigneter als andere Romane, weil er viel Dialog und wörtliche Rede hat. Wir haben daraus eine eigene Fassung gemacht, bei der zwei Dinge besonders wichtig waren. Zum Einen, einen Menschen zu zeigen, der unter Einfluss seiner imaginären Schuld gerät und langsam abdriftet. Zum Anderen, wie bedrohlich Machtapparate sind, die keiner staatlichen Kontrolle unterliegen.
Momentan laufen bereits Proben zum Stück. Wie kommen Sie voran?
Treskow: Insgesamt wirken nur sieben Schauspieler in dem Stück mit, das bedeutete viele schnelle Umzüge. Außerdem haben wir uns bewusst entschieden, mit historischen Elementen zu arbeiten. Die Kostüme sehen ein bisschen aus wie vor 100 Jahren, aber eben auch nur ein bisschen. Das Bühnenbild ist zeitlos.
Zeppenfeld: Was wir feststellen konnten: Die Spielweise macht einfach Spaß. Sie ist zum einen stummfilmartig unheimlich, andererseits aber grotesk komisch.
Treskow: Eine Vereinigung von Lächerlichem, Komischem und Schrecklichem. \
27.9.
„Der Prozess“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
www.theater-aachen.de
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