Ein Mann dreht langsame Runden um einen Holztisch. Bleibt stehen, schaut ins Publikum und geht wieder weiter. Er ist Uni-Professor. Er zitiert Karl Popper. Es geht um die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Einige Szenen später sieht man eine Gruppe von Jugendlichen tanzen, spielen und raufen. Etwas abseits von dem Geschehen sitzt ein gleichaltriger Einzelgänger. Es ist der Sohn des Professors. Als die Jugendlichen aufeinanderprallen, entsteht aus einem harmlosen Pausenhofspiel ein Konflikt. Hinzu kommt, dass die teuren Schuhe des Außenseiters verschwunden sind. Nach und nach rückt ein entscheidendes Detail das Geschehen in ein düsteres Licht: Bei den sechs Jugendlichen handelt es sich um Flüchtlinge.
Na, waren es wieder die Ausländer? Warum werden ausgerechnet die Flüchtlinge beschuldigt, den Diebstahl der Schuhe begangen zuhaben? Konfrontation Schritt für Schritt machen sich Vorurteile bemerkbar. Unterdrückte Feindseligkeiten kommen zum Vorschein. Hinter der Maske der Hochkultur verbergen sich verunsicherte und wütende Gesichter, von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Bis irgendwann sogar der Professor einen Flüchtlingsjungen als „Ziegenficker“ bezeichnet.
In einer Anwandlung aus Angst schießt dieses Wort aus ihm heraus und erschrocken über das, was da gerade aus ihm hervorgebrochen ist, ist auch er gezwungen, sein Selbstbild zu hinterfragen. Karl Walter Sprungala überzeugt mit seiner Souveränität in der Rolle des Familienvaters und Professors. Überraschend überzeugend sind die sechs Flüchtlinge: Youssef, Abdullah, Mustafa, Mohammed, Ahmad und Zanyar. Dabei fällt es kaum auf, das alle sechs mit der Sprache zu kämpfen haben. Vor allem Ahmad Gorbani glänzt in seiner Rolle. Ein Anfänger, der wie ein Profi in seiner Rolle aufgeht und Sprachbarrieren mutig mit schauspielerischem Talent durchbricht. Das Bühnenbild ist schlicht und passend gewählt.
Die Interaktion mit dem Publikum reißt die Zuschauer näher an die Handlung. Das Stück zeigt lebhafte Momente, spannende Szenen und ruhige Dialoge. Viele Themen möchten in kurzer Zeit behandelt werden und man verlässt die Vorstellung mit vielen Gedanken. \bo
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