Von Verena Bodenstein
„Der Kaufmann von Venedig“ ist bei weitem kein selten gezeigtes Stück in der Theaterszene. Umso größer ist die Herausforderung einer spannenden und lebhaften Umsetzung. Eva Teilmans ist das mit „Der Kaufmann von Venedig“ gelungen. Die Dramaturgie übernahm Michael Schmitz-Aufterbeck.
Ein Kreuz steht auf der Bühne. Auf ihm sitzt „Die Liebe“ und singt hell und klar. Der erste Streich von Teilmans Inszenierung. Während des Stückes begleitet die Sängerin Soetkin Elbers die Geschichte mit ihrer wunderbaren Stimme, lässt den Zuschauer in die Geschichte eintauchen. Doch schon zu Beginn braut sich das Unheil unter ihr zusammen. Denn es entspinnt der Irrsinn um das Geld, das die Welt regiert.
Die Geschichte ins Rollen bringen zwei Männer: Der eine älter und schlicht gekleidet. Der andere jung mit glatt-gegelten, blonden Haaren und schickem weißen Anzug, passend dazu weiße Schuhe – ein richtiger Dandy. Ganz grazil bewegt sich der Jüngere, Bassanio (Alexander Wanat), auf der Bühne. Er braucht dringend Geld, um die reiche Porzia zu ehelichen. Der Kaufmann Antonio will Bassanio das Geld nur all zu gerne geben.
Die Mission „Porzia heiraten“ schreitet fort. Einziges Problem: Antonio steht selbst gerade ohne Geld dar. Er geht einen haarsträubenden Pakt mit seinem Rivalen, dem Juden Shylock (Torsten Borm), ein und pfändet sein eigenes Fleisch gegen 3.000 Dukaten. Diese Begegnung macht ihn vor lauter Wut rasend, sodass Bassiano ihn mit aller Kraft zurückhalten muss – die Katastrophe nimmt seinen Gang.
Währenddessen bereiten sich die schlaue Porzia (Melina Pyschny) und ihre Verbündete Nerissa (Nadine Kiesewalter) im fernen Belmont – durch das Bühnenbild mitsamt Drehbühne von Andreas Becker sehr gut umgesetzt – auf Heiratskandidaten vor. Äußerst hipp sehen die beiden aus. Porzia trägt ein weißes Outfit mit glitzernden Applikationen und aufwendiger Hochsteckfrisur – das Pendant zu Bassiano. Nerissa trägt ein Blümchenkleid und pinke Haare, die gut mit den klatsch-pink-barocken Sesseln des Bühnenbilds harmonieren. In Belmont leben eben die Reichen und Schönen. Da wundert es einen nicht, dass Belmont wie ein fancy Mode-Store aufgebaut ist, mit szenischem Licht, das die Schatullen des späteren Kästchentests wie Guccihandtaschen erscheinen lässt.
Im Verlauf des Stücks kommt es zu vielen Katastrophen, die Teilmans manchmal urkomisch, dann todernst bis hin zu melodramatisch inszeniert. Unter anderem erlebt der Besucher den Juden Shylock absolut niedergeschlagen und im Regen stehend auf der Bühne – ebenfalls bildlich gesehen, da ein tatsächlicher Regenschauer ins Bühnenbild integriert wurde. Witz und Esprit bringen Porzias Verehrer mit sich, die sich als Taugenichtse erweisen und im Publikum für Lacher sorgen. Der Prinz von Sachsen (Tommy Wiesner) ist – mit seinem Tick des Zungerausstreckens – die Personifikation der Lächerlichkeit. Das denken sich ebenfalls Porzia und Nerissa, denen nur beim Gedanken, den Prinz als Ehegatten zu betrachten, das blanke Entsetzen in den Gesichtern geschrieben steht.
Eva Teilmans gelang es mit „Der Kaufmann von Venedig“ ein klassisches Drama von William Shakespeare in die heutige Zeit zu holen und das Stück mit der Sprache so zu gestalten, dass auch Gäste ohne Shakespeare-Kenntnisse dem Handlungsstrang folgen konnten. Beeindruckend spielt dabei Alexander Wanat, den Schönling Bassiano, der den guten jedoch verschwenderischen Charakter eins zu eins auf die Bühne bringt. Weiterhin überzeugen Rainer Krause und Torsten Borm als sich ergänzende Rivalen. In einer Nebenrollen glänzt Nadine Kiesewalter als temperamentvolle und witzige Nerissa. Der Geheimtipp: Soetkin Elbers, die mit ihrer schönen Stimme das Drama zwischenzeitlich begleitet. \
2. (20 Uhr), 10., 16.+21.11.
„Der Kaufmann von Venedig“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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