Ich bin die Erste – nein, Ich bin die Erste. Nein, Ich, Ich, Ich!!!“ Lauter, höher, skurriler. Alle wollen vorsingen, für welche Rolle, ist ganz egal. Hauptsache der Star der Show. Oh Verzeihung, der Star der Öper. Oder Oper. Whatever. Hauptsache Star. Und das nicht nur mit Gesang, sondern mit Selbstdarstellung, Pomp und Pirouetten. Das treibt den armen Direktor des Theaters in den Wahnsinn, der Dirigent bricht gleich in Tränen aus. Das Horn sieht nix und im Orchester zieht es.
Aber von Anfang: Das Publikum tummelt sich im Foyer. Die Türen zum Vorstellungssaal sind noch geschlossen. Da stürmt ein Typ in Jogginghose und schlecht sitzendem Pullunder und noch schlechter sitzender Frisur in die Menge und versucht irgendetwas zu koordinieren. Sein Gehilfe hält ein – natürlich – neongelbes Schild in die Höhe. Ein Vorsingen findet statt. Und der „Typ“ ist der Theaterdirektor Frank, der heute das Casting für seine neuste Inszenierung hat. Gerade will er das Publikum in Tonlagen sortieren, da öffnen sich die Saaltüren und es geht auf der Bühne weiter. Zuerst probt Frank (wunderbar zerstreut Benedikt Voellmy) seinen Auftritt und die Anpreisung der Wichtigkeit der Oper. Sein kleiner Gehilfe Buff ist zu 1.000 Prozent dabei, grinst, räumt noch Akten von A nach B, jubelt seinem Idol zu und: singt erst mal vor.
Das Publikum jubelt, lacht über seine falsche Aussprache der Oper in Öper (und das gefühlt ganze 20-mal bis zum Ende des Stücks), der Professor stolpert derweil weiter über die Bühne auf der Suche nach Kontrolle und den Vorsingenden. Und kleiner Spoiler: das mit der Kontrolle wird erst mal nix.
Aber die Talente kommen. Oder besser überrollen ihn. Den Anfang macht Frau Pfeil. Die sieht zwar schlecht, hat aber einen starken Drang Richtung Bühnenmitte. Den Direktor lässt sie einfach gar nicht erst zu Wort kommen und schmettert los. Das Orchester weiß auch nicht, wie ihm geschieht, spielt auf und wie bereits beim Gehilfen Buff ist das Publikum begeistert. Frank verdreht zwar die Augen, ihrem Gesang ist er aber nicht abgeneigt. Nach Frau Pfeil kommen das Herz-Duo, Frau Silberklang und der schnöselige Bankier Eiler. Alle wollen singen. Das tun sie auch. Nur eben weiß keiner für welche Rolle.
Generell passiert nicht nur auf der Bühne etwas. Während der Schauspieldirektor Frank im Publikumsraum auf und ab läuft, später sogar mit einer Leiter in den ersten Rang klettert, die Sänger auf der Bühne ihre Arien trällern und mit allerlei Inbrunst den ganzen Körper einsetzen, als wäre die Bühne eine kleine Burlesque-Bar, taucht zwischen den unzähligen Vorhängen auf der Bühne, auch mal ein Techniker mit Ukulele auf, der versucht, ebenfalls Teil der Show zu werden.
Die Musiker schauspielern mit, der Dirigent jammert und brüllt seine Anmerkungen später gleich durchs Megaphon. Vertauschte Rollen, könnte man denken. Oder ein weiser Blick in die Zukunft. Wo eben ein Sänger nicht nur singt und der Techniker im Verborgenen bleiben muss, der Orchestergraben die Musiker vom Rest abschirmt.
Die Mitwirkenden dieser Inszenierung, allen voran die Sänger und Sängerinnen, beweisen jedenfalls, dass sie wahre Multitalente sind. Grimassen werden geschnitten, Ellbogen ausgefahren, Tänzchen getanzt, Monologe gehalten. Und dabei sollte man die Gesangskunst nicht vergessen: Immerhin ist „Der Schauspieldirektor“ ein Singspiel von Mozart, dem Elena Tzavara noch einiges angedichtet hat, um das Potenzial der Sänger und Musiker heraus zu stellen und dem Publikum ein paar AHA-Momente zu bescheren. Und auch sonst ist diese Oper ein Fest für Auge und Ohren.
Die Kostüme modern, bunt, zeitlos. Das Bühnenbild samt riesiger Kanone, bei der man hofft, dass nicht auch noch einer der Sänger gleich zum Stuntman wird. Zuzutrauen wäre es den Darstellenden und auch der Inszenierung. Aber zur Beruhigung: hier wird keiner quer durch den Saal geschossen. Schließlich geht es ja um ein Vorsingen. Für welche Rolle? Ja, das sollte man selbst herausfinden, indem man hingeht. Die rund 90 Minuten verfliegen geschwind, diese Oper kann man getrost mit Kindern besuchen. In der Premiere befanden sich ein paar Jungs, die sich vor Lachen kaum auf den Sitzen halten konnten und dem restlichen Publikum gezeigt haben, dass befreites Lachen auch in einer Oper jederzeit erlaubt ist.
Auf besagter Bühne stehen übrigens Gesangsstudenten und Gesangsstudentinnen der Hochschule für Musik und Tanz Köln, begleitet vom Orchester der Musikhochschule. Der Nachwuchs quasi, die Talente von morgen, in einem Stück von damals, in einer Inszenierung von heute. Und es wirkt kinderleicht, einfach und macht Lust auf mehr. \ Kira Wirtz
5.7.
„Der Schauspieldirektor“
19.30 Uhr, Großes Haus, Theater Aachen
theateraachen.de
Schauspieldirektor Frank: Benedikt Voellmy
Buff: Daeyeon Won / Sangyun Bak
Bankier Eiler: Maximilian Azendorf / Ferdinand Krumbügel
Frau Pfeil: Teresa Sales Rebordão / Ayaka Igarashi
Frau Herz: Luisa Trejos
Herr Herz: Han Saem Park / Hyoungjoo Yun
Frau Silberklang: Maria Portela Larisch/ Haeeun Kim
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