Auf der Bühne drei Podeste in zartem Rosa, Blau und Grün. An der Wand Schwarz-Weiß-Porträts einer Frau in sämtlichen Lebenslagen. Auf den meisten lacht sie, zieht Grimassen, schmeißt die Beine in die Höhe. Die Frau auf den Bildern ist Trude Herr. Deutsche Schauspielerin, Schlagersängerin und Theaterdirektorin, die auf Hochdeutsch und in rheinischer Mundart (Kölsch) spielte, schrieb und sang. Ein Kleiderständer steht bereit, ein Schminktisch wartete auf seinen Einsatz. Und den wird er bekommen.
Denn mit einem lauten „So, he simmer“ stürmt eine Dame die Bühne. Laut, Platz einnehmend in jeglicher Weise, erobert eben diese Trude Herr (Tanja Bahmani) die Bühne. Auf Kölsch, natürlich. Denn so ist sie: laut, fröhlich, frei Schnauze. In Leo-Puschen und Leo-Tunika. 156 Zentimeter groß und rund zwei Zentner schwer.
Sie mustert ihr Gesicht. „Da muss der Stuckateur ran“, nimm sie sich gleich selbst aufs Korn und hat das Publikum beim dritten Satz schon auf ihrer Seite. Es wird gelacht, applaudiert, geklatscht. Auch wenn die Zuschauer öfter mal am Dialekt scheitern. Aber zum Glück wird ihr die Visagistin Sophie (Barbara Köhler) zur Seite gestellt. Die kommt aus Bayern und muss Trude öfter bitten, ihre Aussagen auf Hochdeutsch zu wiederholen. Was, bitte, isteine „Pripro“, ein „Klüngel“, „de Hipp vom Nümaat“ oder „jet to müffele“?
Es ist Juni 1987. Trude Herr wird gleich ihr Abschiedskonzert geben, bevor sie auf die Fidschi-Inseln auswandert. In einem Tonstudio im Vringsveedel trifft sie Jürgen und Marc, um das Konzert zu besprechen und einige Lieder einzuüben. Über 30 Filme hat sie gedreht, mit den größten Stars auf der Bühne gestanden. „Ich war immer das kölsche, dicke Mädchen“, erklärt sie der staunenden Sophie, die Trude gleich zu Beginn für die Putzfrau und nicht den Bühnenstar hielt. Das trifft Trudes gewisse Wehmut auf den Punkt. Gern hätte sie auch mal eine richtige, bedeutende Hauptrolle gehabt. Aber jemand wie Trude gibt nicht auf. Oder zumindest gab.
Jetzt ist sie ausgebrannt, kränklich, will Ruhe. Findet diese aber in Köln nicht. Und ohnehin das Wetter: Ne, ne, das passt ihr nicht. Sie hasst Regen, steckt ihre Füße nicht nur in Leo-Birkis, sondern auch gerne in den Sand.
Tanja Bahmani lässt Trude Herr auferstehen, zeigt, wie sie liebte und lebte, singt kraftvoll, ist immer 100 Prozent da. Wechselt in Sekunden von der Bühnen-Trude in die Schluppen-Trude, sorgt für Lacher und rührt zu Tränen. Aber immer, wenn ein Funken Wehmut aufkommt, quatscht – sorry schwaad – Trude diesen beiseite, nimmt sich selbst auf die Schippe, stellt Szenen nach. Währenddessen versucht Sophie weiterhin, Make-up-Artist und Stilberaterin zu sein.
Aber Trude ist nicht nur lustig, sondern auch ziemlich stur. Ratschläge von anderen nimmt sie nicht an. Ihr Make-up: 70er-Style. Dezent? Nicht mit ihr! Und dann geht es aus der Kabine auf die Bühne. Mit Live-Band, ihren bekanntesten Songs, Dauerwelle und Schulterpolstern. Also, bei den anderen. Trude mag es bequem.
Vor allem in der zweiten Hälfte des Stücks wird gesungen, was das Zeug hält. Das Publikum ist kaum auf den Stühlen zu halten, klatscht und singt oder summt mit. Kennt man auch den kölschen Text nicht, so zumindest die Melodie. Bahmani kann es einfach. Sie singt und röhrt, rockt und tanzt. Sie liest aus Trudes Manifest und verabschiedet sich dann mit „Niemals geht man so ganz“.
Zusammen mit Stefan Erz (Tontechniker Marc) an der E-Gitarre, Sängerin Barbara Köhler und Stephan Ohm als Jürgen am Klavier/Keyboards erobert Bahmani die Bühne.Da muss man weder Kölsch-Profi noch eingefleischter Fan sein, um die Show, bei der alle vier Darsteller vollen Körpereinsatz zeigen, zu genießen. \Kira Wirtz
2.-5.7. „Trude Herr: Ich will keine Schokolade“
20 Uhr, diverse Orte Städteregion (Herzogenrath, Stolberg, Alsdorf)
grenzlandtheater.de
6.+7.7. „Trude Herr: Ich will keine Schokolade“
20 Uhr, Grenzlandtheater, Aachen
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