Zu Beginn fühlt man sich schon an den US-Serien-Kassenschlager „House of Cards“ erinnert: Meinrad, der etwas cholerische Regierungschef, und Ehefrau Ebba, mindestens genauso ausgefuchst und stets bereit, dem gemeinsamen Ziel – seiner Karriere – zuzuarbeiten.
Dann aber entwickelt sich das Stück und nimmt das Beziehungsdreieck zwischen Ebba, Meinrad und dem langjährigen Spin-Doctor Dieter – vor allem aber die Beziehung der Protagonisten zu sich selbst – in den Blick.
Und hier ist einiges im Argen. Meinrad, verkörpert von Jonas Eckert und frisiert wie der junge Stalin, ist ein Alphapolitiker. Eigentlich schluckt der Parteichef aber schon seit Monaten Antidepressiva und ist getrieben von dem Wunsch, nach einigen politischen Ausrutschern alles hinzuschmeißen. Gleichzeitig wird er von seiner Frau und seinem Berater Dieter unter Druck gesetzt, weiter den starken Mann zu geben.
Ebba (Stefanie Rösner) wiederum wird in ruhigen Momenten immer noch von einer persönlichen Tragödie – grandios gespielt von Elisabeth Ebeling – eingeholt, die sie ein Jahrzehnt lang nicht einmal ihrem Mann anvertraut hat.
Auch Dieter (Torsten Borm), der die Welt nur in Gewinner und Verlierer einteilt, und sich ziemlich sicher ist, wo er steht, ist eigentlich nicht glücklich.
Die niederländische Autorin Lot Vekemans hat ein hochaktuelles Stück geschrieben, das den Politzirkus in einer repräsentativen Demokratie des 21. Jahrhunderts hinterfragt, aber nur unterschwellig die Prozesse oder Inhalte, sondern vielmehr, was er seinen Hauptdarstellerinnen und -darstellern abverlangt.
Nach dem Ableben großer Staatsmänner wie Winston Churchill und John F. Kennedy wurde der Allgemeinheit bekannt, dass sie eigentlich psychische Wracks waren, die wie durch ein Wunder, betankt mit Medikamenten und Drogen, als politische Maschine funktionierten. Und das in den 30ern beziehungsweise 60ern, als man noch Zeit hatte, bis zum nächsten Druck oder den Abendnachrichten zu reagieren und nicht jedem Twitter-Shitstorm hinterherlaufen musste.
Jenke Nordalms tolle, auf die Menschen reduzierte Inszenierung weckt abseits jeder politischen Sympathien ein gewisses Mitgefühl mit den Spitzenleuten unseres Systems.
Interessant sind die kurzen Auftritte des jungen Dichters Ekram (Tommy Wiesner), der für politische Zwecke von Ebba angeworben wird – auch eine Parallele zu „House of Cards“. Seit Gerhard Schröder und seinem Küchenkabinett aus Künstlern tut sich die deutsche Künstlerschaft schwer mit parteipolitischem Engagement. Gutes oder schlechtes Zeichen? \ lm
9., 16., + 24.2.
„Momentum“
20 Uhr, Kammer
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