Beim ersten Selbstmordversuch seiner Mutter ist er sieben Jahre alt. „Deine Mutter hat etwas sehr Dummes gemacht“, habe sein Vater auf dem Weg ins Krankenhaus zu ihm gesagt. Anfangen konnte der Junge damit nichts. Stattdessen begann er, all das aufzulisten, wofür es sich zu leben lohnt: 1. Eiscreme. 2. Wasserschlachten. 3. Länger aufbleiben dürfen als sonst und fernsehen. 4. Die Farbe Gelb. 5. Sachen mit Streifen … Er gibt der Liste den Titel „All das Schöne“ und hofft, dass seine Mutter sie wirklich liest (und nicht nur seine Rechtschreibfehler korrigiert). Retten kann er sie damit natürlich nicht.
Schauspieler Alexander Wanat schickt das Publikum durch sämtliche Höhen und Tiefen, nimmt es mit auf eine Achterbahnfahrt durch das Leben des Jungen: Er wird schließlich erwachsen, geht zur Uni, er findet seine erste große Liebe und heiratet sie. Aber er erlebt auch Streit und Stille, tiefe Traurigkeit und Momente, die sich anfühlen, „als ob sich unter dir eine Falltür öffnet“, sagt er. Und: „Wer in seinem Leben nicht mindestens einmal zutiefst deprimiert war, der hat vermutlich nicht richtig hingespürt.“ Nur an seiner Liste hält er dann doch immer wieder fest: Sie wächst an und nähert sich irgendwann der Million. 999.998: Ein tolles Publikum. 999.999: Eine Aufgabe abschließen.
Interaktiver Monolog
Wanat erzählt das Stück, inszeniert von Lilli-Hannah Hoepner, gemeinsam mit dem Publikum: Mal fordert er die Zuschauer auf, „alles herauszuschütteln“, aufzustehen und zu tanzen. Mal borgt er sich Requisiten – einen Mantel, einen Stift, Bücher. Dann sucht er sich Personen aus, die spontan in die verschiedenen Rollen schlüpfen: in die Rolle der Schulpsychologin, der Freundin und Ehefrau, der Dozentin oder der des Vaters, der sogar – völlig zu Recht – Szenenapplaus erntet. Auch die Liste wird durch das Publikum zum Leben erweckt: Jeder erhält zu Beginn eine Schallplatte, auf der ein Punkt der Liste notiert ist. Wird die Nummer aufgerufen, heißt es: Vorlesen!
„All das Schöne“ ist direkt, intensiv, berührend und lebenbejahend: „Ich habe einen Rat an alle, die sich das Leben nehmen wollen: Tut es nicht.“ Eine starke Vorstellung von Wanat, die nicht zuletzt wegen seiner musikalischen Darbietungen am Klavier – von Ray Charles über Billie Holiday und Eddie Vedder bis hin zum Publikumswunsch Bob Dylan – auch unbedingt auf diese Liste gehört. \ an
7.,14.+18.4.
„All das Schöne“
20 Uhr, Mörgens, Theater Aachen
KlenkesTickets im Kapuziner Karree
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