Ein dunkler deutscher Wald mit angsteinflößend hohen Bäumen. Direkt vorm Publikum ein gefällter Baumstamm mit einer feststeckenden Axt. Dieses beunruhigend wirkende Bühnenbild lässt nur erahnen, welche dramatischen Ereignisse sich noch auf der Bühne zutragen werden. Zu Beginn ist noch alles friedlich. Ein Spielmann (Malcolm Kemp) tritt mit seiner Gitarre auf die Bühne und spielt eine eingängige und schöne Melodie, die das ganze Stück begleiten wird.
In von Sarah Borchardt und Edda Wielert hervorragend umgesetzten Kostümen treten die Figuren auf die Bühne. Alle in weiß gekleidet – geradezu unschuldig – mit rotem, lächerlich zurechtgemachtem Haar. Es sind die von Langeweile geplagten Burgunden: Auf dem hohen Thron der Burgunderkönig Gunther (Julian Koechlin), der seltsam dreinblickende Waffenmeister Hagen Tronje (Benedikt Voellmy) und nicht zu vergessen die schöne Königsschwester Kriemhild (Stefanie Rösner).
Frauen der Rache
Sobald der germanische Held Siegfried (Tommy Wiesner) mit seinem Schwert Balmung auf der Bildfläche erscheint, ereignet sich ein folgenschwerer Pakt nach dem anderem. König Gunther plant mit Siegfried zusammen eine List, um die wilde Walküre Brunhild (Melina Pyschny) ehelichen zu können. Im Gegenzug verspricht Gunther Siegfried seine Schwester Kriemhild. Das ist jedoch nicht die einzige Tat, die Siegfried für Gunther vollbringen muss. Der unfähige Gunther muss Brunhild auch im Ehebett bezwingen, so überlisten beide die Walküre ein zweites Mal. Eine Szene, die für den Zuschauer unangenehm anmutet. Julian Koechlin spielt König Gunther schonungslos ehrlich, mit eingesackter Statur und nackt. Die Machtlosigkeit ohne den starken Siegfried an seiner Seite ist überdeutlich.
Brunhild ist seitdem, und trotz ihrer treuen Begleitung Frigga (Torsten Borm), nicht mehr die Selbe. Vorher noch im engen Overall, wild singend und tanzend, versteckt sie sich nun hinter einem XXL-Pullover und weist nichts mehr von ihrer wilden Anmut auf. Als Brunhild jedoch die ihr widerfahrene Schmach aufdeckt, eskaliert die Situation endgültig. Sie legt ihren Pullover und sinnbildlich auch ihre Zurückhaltung ab und sinnt auf zügellose Rache – Melina Pyschny spielt Brunhild mit all ihren Facetten. Als Folge dessen wird Siegfried durch von Hagen Tronjes getötet. Kriemhild, die versehentlich zum Tod ihres Gemahls Siegfried beitrug, überkommt der Rachedurst. Was bis dahin jedoch keiner ahnt: Kriemhilds blutiger Rachefeldzug stellt alles zuvor Erlebte in den Schatten. Stefanie Rösner ist grandios in der Rolle Kriemhilds. Im ersten Teil des Stücks spielt sie die Figur voller Leichtigkeit und liebestrunken nach Siegfried. Die charakterliche Wandlung zur rachedürstenden Geliebten im zweiten Teil – und der auf diese Weise entstehende Kontrast – zeigen Rösners Wandelbarkeit.
Es kommt zum blutigen Showdown. Jahre sind vergangen und alle Darsteller tragen nun Schwarz während sie am aufgebauten „Bankett des Todes“ sitzen. Stefanie Rösner beeindruckt mit ihrer rachedurstenden Raserei, die sie in Perfektion auf die Bühne bringt. Die Handlung des Stücks „Die Nibelungen“ gipfelt im erschreckenden Blutbad. Christina Rast weiß, wie sie ihr Publikum in Bann hält: definitiv ein Drama für starke Nerven. \ vb
7., 10., 14., 21.+27.4.
„Die Nibelungen“
18.30 Uhr (So 18 Uhr), Bühne, Theater Aachen
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