Zugegeben, es war etwas kühl bei der Premiere von „Unscene“ am und im Tuchwerk in der Soers. Das Theater K hatte im April Gäste zu vier Vorstellungen geladen. Das Ensemble „cie.gangWERK“, mit dem sie zusammen ein Stück erarbeitet haben, das auch den Zuschauer in die Inszenierung einbezieht und mit ihm durch Schein und Sein wandelte. Und eben auch über das komplette Gelände und durch das Gebäude des Tuchwerks. Und der Start war im Innenhof. Dort wurden Decken verteilt, die Besucher nahmen in diese gehüllt auf den verteilten Stühlen Platz.
Und dann? Die beiden Darsteller Ilan und Anne begrüßen alle, verteilen Speisen vom Grill und Getränke, mischen sich unters Publikum, stellen Fragen: „Was würden Sie an so einem schönen Ort wie dem Tuchwerk gerne machen?“ Verunsicherte Blicke im Publikum: Läuft das Stück bereits? Und genau damit spielt die gesamte Inszenierung: Was, wenn nicht die Regie bestimmt, sondern die Teilnehmer und Darsteller? Zu Beginn läuft noch alles nach „Plan“. Per Live-Video-Telefonie gibt eine Regisseurin Anweisungen, die Ilan und Anne gekonnt umsetzten. Sie erklären die Regeln des Theaters. Zum Beispiel: Handy aus! Und noch wichtiger Regel Nummer neun: „Seien Sie nicht zu kritisch!“
Doch dann, Ilan erklärt gerade – auf Englisch –, was im Falle eines Feuers zu tun ist, qualmt plötzlich der Grill zu stark und das Publikum wird von Anne – auf wunderbarem Schwiizerdütsch –gebeten, schön ordentlich in Zweierreihen ohne Panik in den Maschinenraum des Tuchwerks zu gehen. Dort wird die Handyregel aufgehoben. Alle bitte Handy raus und Taschenlampen an. Drinnen ist es stockdunkel. Die beiden versuchen, ihr Regelwerk fortzusetzen und die Regie zu erreichen. Die Verbindung kann nicht aufgebaut werden.
Jetzt versuchen die beiden, zu improvisieren, steigern sich immer weiter in ihre Rollen, versuchen den anderen zu übertrumpfen, starten Ein-Mann-Performences und Tanzepisoden, lenken die Besucher immer tiefer hinein ins Tuchwerk, bis sie schließlich in der Bar des Theater K landen. Der Zuschauer lacht und staunt, schaut sich verwirrt um. Wo ist die Bühne, wo der Zuschauerraum und warum sollte man der Regie glauben, wenn sie einen bittet, den Finger in die Nase seines Sitznachbarn zu stecken? Am Ende ist die Stimmung fröhlich, fast ausgelassen. Anne Dauberschmidt und Ilan Daneels schwitzen, haben überzeugt und die Sympathie des Publikums gewonnen. Hoffentlich war das nicht das letzte Gastspiel am Theater K. \ kw
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