Ein ewiger Sommertag: Im Vorstadtvorgarten zwischen pastellenfarbenen Häuserfassaden schlüpft Cookie (Stefanie Rösner) nur kurz aus ihren Pumps, um daraus einen beachtlichen Schwall Blut auf den Kunstrasen niederprasseln zu lassen. Kurz geschüttelt, Lächeln angestellt und „Showtime again!“ auf der fußabtretergroßen Bühne des Lebens: Cookie Close ist die geborene Kosmetik-Vertreterin alter Schule, aber was heißt schon alt. Sämtliche Dokumente, die ihr Auskunft über das eigene Alter verraten könnten: längst vernichtet. Wie lange sie schon mit ihren Beauty-Schatullen von Türklingel zu Türklingel marschiert, schwer zu sagen: „Als ich ein kleines Mädchen von knapp sechs Jahren war, da sagte meine Mutter zu mir, dass Gott uns alle nach seinem Bilde erschaffen hat! In diesem Moment war mein Schicksal entschieden!“
Fortan gibt es für Cookie eine Mission: Mithilfe von Hornhauthobel, Lidschatten und Lipgloss das göttliche Antlitz kaufwilliger Hausfrauen zutage zu fördern. Mit rosa Rollkoffer verfolgt sie unermüdlich den American Dream auf dem mehr und mehr versiegenden Markt für Haustürvertreter, bis zuletzt auf Selbstoptimierung und Instandhaltung des körperlichen Status Quo bedacht …
Aus der in „think positive“-Attitüden gefangenen Kosmetikerin hätte leicht eine simple Spottfigur werden können, doch zwischen Soap-Opera Dialogen und Splatter-Einlagen schimmert in der Inszenierung von Malte C. Lachmann immer auch eine tiefe Empathie für seine Protagonistin durch.
Diese sammelt erst Schweißränder, dann Fleischwunden von den Nagelfeilstichen der Konkurrenz, aber im neoliberalen Häuserkampf gibt es kein Halten: „Nur wer an einem Ort bleibt, dem kann man beim Altern zusehen!“ Entsprechend überlässt die rastlose Cookie das Altern den Randfiguren in ihren Eingangsbereichen und der einst von ihr verführte Junge Dan (Philipp Manuel Rothkopf) vergreist fast beiläufig zwischen Hausbesuchen zum reuevollen Ehemann. Stefanie Rösner spielt die kulleräugige Zwangsoptimistin dabei so aufrichtig naiv, dass man am Ende trotz aller Komik nur noch aufrichtiges Mitgefühl empfinden mag, wenn Cookies Rollwagen immer mehr Altersarmut und Wahnwitz entgegen schlingert.
„Für immer schön“ dauert einen langen Sommertag und 30 Jahre zugleich, lautet die Angabe des Autors Noah Haidle zu seinem Werk. In der Kammer des Theater Aachen fließen ein schattenloser Tag, die Heldenreise eines ganzen Berufslebens und sehr viel Komik und Tragik innerhalb von zwei Stunden so nahtlos in- und auseinander, dass die oft obligatorischen Standing Ovations eines Premierenabends redlich verdient wurden. \ tg
8., 16., 22.+30.6.
„Für immer schön“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
theateraachen.de
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