Kurz vor der Europawahl, in der festgelegt wird, welche politischen Köpfe Europa auf Kurs bringen, da stellt sich nicht nur die Frage „Was ist Europa?“, sondern auch „Was ist der Westen?“. Der glorifizierte „Westen“, dem große Errungenschaften zugeschrieben werden, wie zum Beispiel die Menschenrechte, die Idee der Herrschaft des Rechts, der Gewaltenteilung und der repräsentativen Demokratie. Unserer Demokratie. Das politische Prinzip, nach dem das Volk durch freie Wahlen an der Machtausübung im Staat Teilhabe hat. Angeblich. Denn die Realität sah dann doch oft anders aus.
Zum Westen zählt ebenfalls Amerika – und was in der Vergangenheit hat demokratischen Werten mehr widersprochen als die Zeit der Sklavenhaltung? Na gut, es gibt da schon einige Dinge, die einem einfallen. Auch Autor Konstantin Küspert. In seinem Stück „Der Westen“ nimmt er den Zuschauer mit auf eine Zeitreise. Anspielungen auf verschiedene Epochen wurden eingebaut: die Enstehung des Römischen Reichs, die Reise Columbus‘ als auch Aktuelles. Das derzeitige Verhältnis zwischen USA und Nordkorea zum Beispiel. Konstantin Küspert spielt mit den geschichtlichen Ereignissen und zeigt, was eventuell hätte passieren können, wenn historische Personen dann doch nicht zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen wären. Kopfkino für die Bühne.
Das mit männlichen Darstellern besetzte Stück – amüsant, ein Darsteller fragt sich zu Beginn „Wo sind die Frauen hin?“ – zeigt am Anfang die große Freiheitsstatue, Lady Liberty. Freiheit, vielleicht eine weitere Errungenschaft des Westens? Wer weiß. Ab diesem Zeitpunkt bieten die Darsteller Julian Koechlin, Ognjen Koldzic, Jonah Quast, Tommy Wiesner und Marco Wohlwend dem Publikum pure Unterhaltung. Überaus witzig: Das von Christoph Columbus in die völlige Verzweiflung getriebene Königspaar Isabella I. und Ferdinand II. Nachvollziehbar, denn Columbus‘ permanentes Gerede von „High- und Underperformern“ nervt tatsächlich unglaublich – allein schon wegen der Wortwahl. Malcolm Kemp begleitet das Ensemble musikalisch durch die Zeitreise. Letztendlich schließt das Stück im wahrsten Sinne klein: mit der Feldmaus Frederick, die nach der Apokalypse Erinnerungen sammelt. Gute Erinnerungen: das durchdachte Bildungssystem mit BAföG, das Gefühl der Freiheit, Sicherheit … Frederick vermittelt eine Botschaft an die Besucher: Seid dankbar! Denn wenn es erstmal soweit kommen sollte, wie in Küsperts „Der Westen“, müssten wir im schlimmsten Fall und lediglich mit Fredericks gesammelten Erinnerungen durchhalten. \ vb
8., 13.+23.6.
„Der Westen“
20 Uhr, Mörgens, Theater Aachen
theateraachen.de
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